Bahama-Krise
einem Kaiserschnitt zurückbleibt.«
»Bei einem Kaiserschnitt sind die Instrumente aseptisch, wenn
ich nicht irre.«
»Gewiß«, gab er zu. »Aber bedenken Sie, daß Frauen gegen
Infektionen viel widerstandsfähiger sind als Männer. Seelisch
allerdings …« Er zögerte. »Ihre Frau wird viel Liebe brauchen,
viel Trost, viel Zuwendung. Und das sind Dinge, die sich dem Einfluß
des Mediziners entziehen. Ich könnte Ihnen einen guten Psychiater
empfehlen.«
Schon Sherry-Lou hatte gesagt, daß Debbie viel Zuwendung
brauchen würde, um über die Sache hinwegzukommen. Es war klar, daß ich
derjenige sein würde, der sich um die seelischen Schäden zu kümmern
hatte. Ich und nicht irgendein Mann im Cordanzug, der die Seufzer von
Debbie auf Band nahm. Die Liebe, die man auf dem Wachstuchsofa der
Psychiater empfängt, ist eine Rose, die nur aus Dornen besteht.
»Ich werde sie bald nach Hause holen«, sagte ich.
»Das wird das beste sein«, sagte der Arzt.
Ich machte mir Sorgen wegen der
Gerichtsverhandlung, die stattfinden würde. Bis mich Billy zu dem
Rechtsanwalt des Cunningham-Clans brachte. Wie man mir versichert
hatte, war es der beste Strafverteidiger in Texas. Seine Anweisungen an
mich waren einfach. »Bis zur Gerichtsverhandlung werden Sie mit
niemandem über die Sache sprechen. Weder mit der Polizei noch mit
irgendeinem Journalisten, auch nicht mit Privatpersonen oder Freunden.
Mit niemandem.«
Das versprach ich. Peter Heller, der Anwalt, sagte mir noch
etwas. Es gab ein Problem, das schwierig aus dem Weg zu räumen war. Und
zwar der Vorwurf, daß ich mit Vorsatz gehandelt hatte.
»Das ist so, Mr. Mangan«, erklärte er. »Sie trafen gewisse
Vorbereitungen, die Ihnen unter Umständen als Vorsatz angelastet
werden. Es ist eine Tatsache, daß Sie Earl Ainslee und danach Tukey
Ainslee getötet haben. Bei Tukey kommen wir wahrscheinlich mit Notwehr
durch. Sie konnten nicht wissen, daß er vor der Tür stand, und er
bedrohte Sie mit der Waffe. Bei Earl ist es etwas schwieriger. Der
Angriff auf ihn war sorgfältig geplant. Wir werden den Geschworenen
nicht klarmachen können, daß die schwere Waschschüssel aus eigener
Kraft die Wand hochspaziert ist.«
Zehn Tage nachdem wir mit dem Hubschrauber
aus Big Thicket Country ausgeflogen worden waren, wurde der Leichnam
von Leroy Ainslee gefunden. Die Fundstelle war die Bahnlinie der
Southern Pacific, die durch das Gebiet geht. Wie es schien, war Leroy
von einem Güterzug überfahren worden.
»Wo ist es passiert?« fragte ich Billy, der mir die Nachricht
brachte.
»Nördlich vor Kountze. Eine kleine Stadt, die einzige
Ansiedlung im Big Thicket.«
»Der Herr hat ihn gerichtet«, sagte ich ironisch.
»Ich habe mir eine Kopie des Obduktionsberichtes besorgt«,
sagte Billy. »Die meisten Verletzungen stammen einwandfrei von den
Rädern eines Zuges.«
»Die meisten?«
Billy zuckte die Schultern. »Das Leben ist lebensgefährlich.
Jedenfalls hat die Polizei die Sache als Unfall behandelt. Die Leiche
wurde in Kountze beigesetzt.«
»Ich verstehe«, sagte ich. Was ich zu verstehen begann, war,
daß Texaner ein vergleichsweise rauher Menschenschlag sind.
»Es ist am besten so, glaube mir«, sagte Billy. »Übrigens,
Dade Perkins hat angerufen. Er sendet Debbie gute Genesungswünsche.«
Was den Tod von Earl und Tukey Ainslee anbetraf, so kam es
nicht zu einer Gerichtsverhandlung. Zumindest nicht zu dem, was wir in
den Bahamas unter einer Gerichtsverhandlung verstehen. Wegen der
britischen Vergangenheit der Bahamas ist das Recht auf unseren Inseln
nach dem englischen Vorbild ausgerichtet. Das Recht in Texas nun
funktionierte ganz anders als alles, was ich auf dem College in England
gelernt hatte. In Houston wurde die Sache ans Schwurgericht verwiesen,
das jedoch keine Anklage erhob. Ein Ermittlungsverfahren wurde
eingeleitet. Es ging darum festzustellen, ob überhaupt ein Mord vorlag.
Erst wenn diese Frage geklärt war, würde das Gericht sich darüber
Gedanken machen, wer wohl der Schuldige sein könnte.
Was dazu führte, daß der Fall so glimpflich behandelt wurde,
weiß ich nicht. Es ist denkbar, daß die Cunninghams ein paar
Telefongespräche geführt haben. Sie kannten in Texas Gott und die Welt.
Wobei die Beziehungen zu Gott vermutlich noch besser waren als zur Welt.
Weil es sich um eine Sache drehte, die mit einer Entführung
verknüpft war, wurde der Fall nicht in Houston verhandelt, sondern in
Austin, der Hauptstadt des texanischen Bundesstaates. Mein
Weitere Kostenlose Bücher