Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bahama-Krise

Bahama-Krise

Titel: Bahama-Krise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Desmond Bagley
Vom Netzwerk:
der
Französischen Revolution, der seine tägliche Fronarbeit verrichtete.
    Während ich die abgelösten Fäden nebeneinander legte, rief ich
mir
noch einmal ins Gedächtnis, was Robinson gesagt hatte. Bei dem Gespräch
war es hauptsächlich um die Dinge gegangen, die ich angeblich über ihn
wußte. Was meinte er damit? Ich versuchte mich an mein Gespräch mit
Kayles zu erinnern, in jener Nacht auf Kayles' Segelboot. Lag dort der
Schlüssel? Je länger ich über das Rätsel nachsann, je verworrener wurde
die Angelegenheit. Meine Besorgnis um das Schicksal von Debbie stieg.
    Ich schlief wenig in dieser Nacht. Immer wieder fuhr ich aus
Alpträumen hoch. Zudem hatte ich Angst, daß ich vor lauter Müdigkeit in
den Tag hineinschlafen würde. Es wäre ein Luxus gewesen, den ich mir
nicht erlauben konnte. Meine Vorbereitungen waren noch nicht
abgeschlossen. Dazu brauchte ich noch eine Stunde Arbeit bei
Tageslicht. Indes hatte ich mir, was das frühe Aufstehen anging,
umsonst Angst gemacht. Noch bevor das erste Morgenrot durch das
Fensterloch kroch, war ich auf.
    Eine Stunde später war ich soweit. Auf dem Sims über der Tür
stand
die schwere Wasserschüssel, in einer Höhe von fast vier Metern vom
Boden. Die Schüssel stand auf einer Rutschbahn, nämlich dem
Buttermesser, das ich sorgsam eingefettet hatte. Die Fäden aus dem
Sackleinen hatte ich zu einer langen Schnur zusammengeknüpft, mit der
ich mein Katapult betätigen konnte. Die Schnur führte von der Schüssel
zum Dachbalken und von dort zu meinem Bett, im hinteren Teil des Raumes.
    Der Türeingang war schmal, und ich hatte die schwere Schüssel
genau
über der Stelle plaziert, wo Leroy hereinzukommen pflegte. Mit einem
Gesamtgewicht von über zehn Kilo würde die Schüssel aus einer Höhe von
rund vier Metern auf seinen Kopf fallen. Ich hoffte inständig, daß ihn
das ins Reich der Träume befördern würde, ersatzweise in die Hölle, wo
er eigentlich hingehörte. Wenn es mir gelang, Leroy außer Gefecht zu
setzen, hatte ich eine faire Chance, auch Robinson zu überwältigen,
besonders wenn ich mich Leroys Waffe bemächtigte.
    Die Fertigung des Dolches, den ich bei dem Überfall auf meine
Peiniger benutzen wollte, war kein leichtes Stück Arbeit gewesen. Bei
näherer Betrachtung des Wasserkruges hatte ich einen feinen Sprung
entdeckt, den ich mit dem Daumennagel erweiterte. Obwohl ich die
Wandung des Kruges mit beiden Händen auseinanderdrückte, gelang es mir
nicht, ihn zu zerbrechen. So wickelte ich das Ding in mein Bettuch und
löste eines der Tischbeine aus dem wackeligen Tisch heraus. Mit dem
Tischbein schlug ich auf den in Tuch gehüllten Krug ein, bis er
zerbrach. Jetzt zeigte es sich, wie nützlich meine Wut auf das
Mikrophon gewesen war. Die Schläge auf den dickwandigen Ton
verursachten einen Höllenlärm. Wäre das Mikrophon noch intakt gewesen,
hätte es mich verraten.
    Als ich das Laken auffaltete und mein Werk betrachtete,
stellte ich
fest, daß ich genau die Waffe hatte, die mir vorschwebte. Eine
messerscharfe Scherbe, daumendick, lang wie meine Hand, mit einer
dolchartigen Spitze. Ein Mordwerkzeug, ganz ähnlich wie die Tatwaffe,
die ich damals bei der Schwurgerichtsverhandlung in England gesehen
hatte. Die Scherbe paßte gut in meine Hand. Ich würde sie von unten
nach oben führen müssen, um meinen Gegner aufzuschlitzen.
    Ich zog vorsichtig die Schnur straff, die zu meinem Katapult
führte. Dann setzte ich mich aufs Bett und wartete.
    Die Psychologen sagen, Zeit ist ein subjektiver Begriff. Wenn
man
auf einen Zug wartet, dann fährt er besonders langsam. Und wenn man
einen Wasserkessel aufs Feuer stellt und den Kessel voller Ungeduld
anstarrt, dann kommt das Wasser ewig nicht zum Sieden. Ich hatte diese
These immer für ausgemachten Unsinn gehalten, aber inzwischen glaube
ich daran. Ich weiß nicht, ob es einen Unterschied gemacht hätte, wenn
ich eine Uhr gehabt hätte. An jenem Morgen maß ich die Zeit mit Hilfe
der Schatten, die Zentimeter um Zentimeter über den schmutzigen Boden
krochen. Und mit meinem Herzschlag, der lauter und lauter wurde. Debbie
hatte gesagt, daß wir es insgesamt mit vier Männern zu tun hatten.
Leroy, der Mann, den ich für seinen Bruder hielt, Robinson und Kayles.
Kayles war tot. Blieben drei. Wenn Leroy durch meine mittelalterliche
Falle außer Gefecht gesetzt war, blieben zwei. Robinson und der zweite
Leibwächter. Den einen würde ich niederschlagen, den anderen mit meiner
Stichwaffe unschädlich machen.

Weitere Kostenlose Bücher