Bahama-Krise
ihm auf die Stiefelspitzen.
Leroy drehte sich um und lief den Hügel hinunter. Trace folgte
ihm. Stimmen waren zu hören. Es mußten sechs oder mehr Männer sein.
Dade ließ den Blick über das weite Wiesenstück schweifen. Sein graues
Haar zitterte im Wind. Eine ganze Weile lang stand er so da, unbewegt
und nachdenklich.
Irgendwo unter mir war das Mädchen. »Sie sind weg, Vater«,
sagte sie.
»Yeah«, knurrte der Alte.
Ich glitt den Stamm hinunter. Die beiden betrachteten mich wie
einen Mann vom anderen Stern.
»Ich bin Dade Perkins«, sagte er schließlich. »Und das ist
meine Tochter Sherry-Lou. Und jetzt erklären Sie uns einmal, wer Sie sind und was in Teufels Namen Sie hier zu suchen haben.«
Achtzehntes
Kapitel
I ch kann nicht sagen, daß ich die Frage sehr
passend fand. Ich lehnte abgerissen und zu Tode erschöpft an dem
Baumstamm. Meine Füße bluteten, und die Baumrinde hatte meinen Hals
aufgeschürft.
»Wo ist das nächste Telefon?« fragte ich. »Ich brauche Hilfe.«
Sherry-Lou lachte. Ihr Blick wanderte über meine Füße, die
zerlumpten Jeans hinauf, über das zerrissene T-Shirt und zu meinem
Gesicht. »Sie sehen aus, als ob Sie einen Ringkampf mit einem Puma
hinter sich haben«, bemerkte sie. Dann sah sie den gehetzten Ausdruck
in meinen Augen. Ihr Lachen verschwand. »Sie können bei uns auf der
Farm telefonieren«, bot sie an.
»Wie weit ist das von hier?«
»Vier bis fünf Kilometer.«
»Wie Sie so dastehen, brauchen Sie dazu eine Stunde«, warf
Dade ein. »Mit diesen Füßen da ist nicht mehr viel los. Ich schlage
vor, daß Sherry-Lou vorausgeht. Sie kann den Anruf für Sie machen.«
Ich fühlte, wie mir weich in den Knien wurde. »Gute Idee«,
sagte ich.
»Wen soll ich anrufen?« fragte sie. »Welche Nummer?«
Ich hatte die Nummer vergessen. Und meine Sekretärin, die so
etwas in ihrem Block hatte, war fern.
»Ich weiß die Nummer nicht. Aber Sie werden die Verbindung
ohne Schwierigkeiten bekommen. Verlangen Sie von der Vermittlung die
Cunningham Corporation in Houston, Mr. Billy Cunningham.«
Eine merkwürdige Pause folgte meinen Worten. Sherry-Lou schien
etwas sagen zu wollen. Mitten im Wort brach sie ab und schaute ihren
Vater an. Er erwiderte ihren Blick, dann sah er abschätzend zu mir
hinüber. »Gehören Sie zum Cunningham-Clan?« Er spuckte aus.
»Spreche ich wie ein Texaner?« sagte ich.
»Nein«, gab er zu. »Sie sprechen wie einer von diesen
verrückten Typen aus Kalifornien.«
»Ich komme von den Bahamas«, sagte ich. »Mein Name ist Mangan,
Tom Mangan.«
»Und was haben Sie mit den Cunninghams am Hut?«
»Ich bin mit einer Cunningham-Tochter verheiratet«,
beantwortete ich seine Frage. »Und Leroy hat sie in seiner Gewalt.«
Das Gesicht des Alten blieb ausdruckslos. Er ging nicht ein
auf das, was ich gesagt hatte.
»So tun Sie doch etwas«, sagte ich verzweifelt. »Wir stehen
hier, und meine Frau wird gefoltert.« Ich tastete nach meinen Wangen
und spürte die Tränen, die mir das Gesicht hinunterliefen.
»Den Ainslees wär's zuzutrauen«, hörte ich Sherry-Lou sagen.
»Die Cunninghams oder die Ainslees«, sagte er. »Ich weiß
nicht, wer schlimmer ist …«
Er bedeckte den Mund mit den Händen und wandte sich ab.
»Sherry-Lou!« sagte er unvermittelt. »Du läufst zur Farm und rufst
Billy Cunningham an.« Er wandte sich zu mir. »Den jungen Spund oder
Billy I.?«
»Am besten den Sohn«, sagte ich. Billy würde am schnellsten
die Entscheidungen treffen, die jetzt nötig waren.
»Und sagen Sie Billy, er braucht bewaffnete Männer, soviel er
auftreiben kann. Sagen Sie ihm auch, daß er sich verdammt beeilen muß.
Wie weit sind wir hier von Houston?«
»Ungefähr hundertsechzig Kilometer.«
Das war weiter, als ich gedacht hatte. »Sagen Sie Billy, er
soll mit den Hubschraubern kommen«, bat ich Sherry-Lou.
»Er kann auf meinem Grund landen«, fügte der Alte hinzu. »Er
dürfte keinerlei Schwierigkeiten haben, das zu finden. Wenn du
zurückkommst, bring ein Paar Schuhe von Chuck mit, damit Mr. Mangan
gehen kann!«
»Okay«, sagte Sherry-Lou und begann die Böschung zu erklimmen.
Ich sah ihr nach, bis sie zwischen den Bäumen verschwand. Dann wandte
ich mich an ihren Vater.
»Wo sind wir hier?« fragte ich.
»Das wissen Sie nicht?« Er war erstaunt. »Am Rande von Big
Thicket Country.« Er deutete den Hügel hinunter. »Da unten rechts, das
ist der Neches-Fluß.« Sein Arm machte einen weiten Bogen. »Da hinten
liegt Big Thicket Country und Kountze.«
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