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Bahners, Patrick

Bahners, Patrick

Titel: Bahners, Patrick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Panik-Macher
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Herrnstein und Murray im Haupttext und im
Register nicht nennt und auch in den Anmerkungen nicht auf die Einwände gegen
ihre Ergebnisse eingeht, die bis zum Vorwurf des Betrugs und der Desinformation
reichen. Im Fortgang der Debatte über «Deutschland schafft sich ab» gab Neda
Kelek mit verspäteter Vorsicht zu Protokoll, als Soziologin habe sie «keine
Ahnung von Genetik» und erst recht keine «Ahnung von Vererbbarkeit von
Intelligenz». Sie finde es «schade, das in dem Zusammenhang von Integration zu
debattieren». Bei der Buchvorstellung hatte sie dieses Bedauern noch nicht zu
erkennen gegeben, sondern erklärt, man brauche keine biologischen
Fachkenntnisse, um die Bedeutung der «von Sarrazin aufgezeigten
Wechselbeziehung von Intelligenz und Demographie» für sein Thema zu erkennen.
Schon «der gesunde Menschenverstand» lege doch nahe, «dass Ethnien wie zum
Beispiel die Völker Anatoliens oder Ägyptens, die über Jahrhunderte von den
Osmanen daran gehindert wurden, Lesen und Schreiben zu lernen, bei denen noch
heute Mädchen nicht zur Schule gehen dürfen, andere Talente vererbt bekommen
als die Söhne von Johann Sebastian Bach». Sarrazin hat der Öffentlichkeit
vorgeworfen, über die Inzucht in Migrantensippen nicht sprechen zu wollen. «Man
könnte ja auf die Idee kommen, dass auch Erbfaktoren für das Versagen von Teilen
der türkischen Bevölkerung im deutschen Schulsystem verantwortlich sind.»
     
    Der Schulhof der Nation
     
    Als das negative Echo auf die Wulff-Rede den Lärm der
Sarrazin-Debatte noch einmal anschwellen ließ, glaubten die Politiker in
Berlin und den Landeshauptstädten einer Macht gegenüberzustehen, die ihnen
keine Wahl der Methoden ließ: Sie mussten sie beschwichtigen. Nun ist in der
Diplomatie nach aller Erfahrung das Appeasement, das dem übermächtigen Gegner
entgegenkommt, den man momentan nicht überwältigen kann, fast immer die
richtige Strategie. München 1938, das zeithistorische Lieblingsexempel der
Islamkritik, ist der welthistorische Ausnahmefall. Deshalb war es töricht, vor
dem ersten und vor dem zweiten Islamkrieg in Saddam Hussein einen zweiten
Hitler sehen zu wollen. Im Umgang mit Stimmungen ist eine andere Art von
Vorsicht geboten. Die Volksmeinung erlebt die Beschwichtigung als Bestätigung.
Wer den Drachen füttert, wird von ihm verschlungen. Mit triumphaler Häme wurde
in den islamfeindlichen Medien vermerkt, dass die Politiker, die Sarrazins
Buch nicht hatten lesen wollen, nach wenigen Wochen wie Sarrazin-Klone klangen.
Man witterte die Kapitulation: Vielleicht hat die Para-Öffentlichkeit bald
schon ihre Schuldigkeit getan und kann mit der Öffentlichkeit verschmelzen.
    Die Einwanderer müssen das Ihre tun für die Integration:
Dieser Gemeinplatz war längst fest etabliert, für seine permanente Wiederholung
in Politikerreden standen mehrere Formeln zur Verfügung. Besonders beliebt:
die «Bringschuld». Im Zuge der Sarrazin-Erregung kam es zu einer merklichen
Verschärfung des Tons. Der einzelne Politiker adressierte den einzelnen
Migranten, der aufgefordert wurde, den guten Willen zu beweisen, ein guter
Deutscher zu werden. Die Integrationsdebatte wurde personalisiert und
moralisiert. Auch der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel redete auf einmal von
Sanktionen und vom Durchgreifen, und sogar die Grünen machten das Spiel mit.
Ein so umfassendes Vertrauen in Besserungsmaßnahmen, die in direktem
Durchgriff verhängt werden, kennt man sonst nur aus der Schule. Der Pädagoge
Gabriel, der über die Volkshochschulbürokratie den direkten Weg in die Politik
genommen hatte, konnte hier vielleicht erlernte Fertigkeiten ausspielen, die er
im bisherigen Berufsleben selten hatte abrufen dürfen. Die Autorität des
strafenden Lehrers, seine Fähigkeit, Maßregeln anzuordnen, denen ein Effekt
zugetraut werden kann, hängt daran, dass ihm die Übeltäter persönlich bekannt
sind. Und so fingierten die Politiker ihre Vertrautheit mit Mentalitäten, über
deren Fremdheit doch Klage geführt wurde.
    Bei einem renitenten Schüler muss man tatsächlich am
Willen ansetzen. In der Schule gibt es das provokante Nichtstun, die antisoziale
Symbolhandlung, die sagt: Ich will nicht! Wenn der Schüler dann die Strafarbeit
ordentlich ausführt, zeigt er, dass bei ihm noch nicht Hopfen und Malz
verloren ist. Die Annahme, dass es bei Einwanderern, die auf dem Arbeitsmarkt
oder in der alltäglichen mündlichen Verständigung nicht mit den Einheimischen
mithalten können, zuerst und

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