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Bahners, Patrick

Bahners, Patrick

Titel: Bahners, Patrick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Panik-Macher
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die Redaktion den Gastbeitrag als
Petition etikettiert. Wenn die Verfasser auf diesem Weg die Öffentlichkeit
förmlich bitten wollten, Neda Kelek nicht mehr unkritisch Gehör zu schenken,
so haben sie das Gegenteil erreicht. Wie Schiffauer wohl vorausgesehen hatte,
beglaubigte die Schärfe der unter Federführung eines linken Aktivisten und
Popredakteurs entstandenen Polemik Neda Keleks stärkste Position: ihre
Opferrolle. Jürgen Kaube konnte in der F.A.Z. enthüllen, dass nicht alle
sechzig Migrationsforscher über Migration geforscht hatten und einige
schwerlich überhaupt als Forscher anzusprechen waren. Weithin setzte sich im
Publikum der Eindruck durch, dass Frau Kelek wirklich eine tapfere
Tabubrecherin war, die gegen ein Kartell der subventionierten Schönfärber
kämpfen musste. Journalisten drehten den Spieß der Kelek-Kritiker um und riefen
nun eine «notwendige Debatte» über die Versäumnisse der Integrationsdebatte
aus. Sie hielten es nicht für notwendig, die Hinweise auf den Sinneswandel Neda
Keleks in den drei Jahren zwischen ihrem fachwissenschaftlichen und ihrem
öffentlichen Debüt zu überprüfen. Auch Neda Kelek selbst ging in ihrer Replik
auf den Vergleich zwischen ihren beiden Büchern nicht ein - aus gutem Grund.
Sie hätte nicht bestreiten können, dass sie in «Die fremde Braut» tatsächlich,
wie die Autoren des Offenen Briefs feststellten, «das genaue Gegenteil» der
These ihrer Dissertation vertritt.
     
    Kelek mit Kelek gelesen
     
    In Kapitel 3.3 von «Islam
im Alltag» hat sie die Brauchbarkeit einer gebräuchlichen Formel untersucht:
«Islam und Moderne - ein Antagonismus?» Sie zeigte damals, dass dieses
Denkmuster des unvermeidlichen Gegensatzes so verbreitet ist, weil es den
didaktischen Bedürfnissen der Medien, aber auch der Wissenschaft
entgegenkommt. «Die Begriffe Tradition und Moderne gehören zu den gängigsten
Merkmalen der Beschreibung und Analyse zeitgenössischer islamischer Kulturen.
Ihre Beliebtheit etwa in Überschriften wie Moderne> resultiert aus ihrer Assoziationskraft, die alltagsweltliche
Bilder von traditioneller Lebens- und Wirtschaftsweise dort und Attribute des
Fortschritts und der Zivilisation hier gegeneinander stellt und plausibel
erscheinen lässt. Gleichzeitig transportieren die Begriffe Tradition und
Moderne auch Vorstellungen von unterschiedlichen ethischen, ästhetischen und
kulturellen Werten. Dabei stehen Tradition und Islam im westlichen Diskurs
häufig synonym als Beschreibung einer tendenziell totalitären Kultur, die der
christlichen antinom gegenübersteht und in der die Tradition bzw. der Islam den
Menschen beherrsche. Dagegen wird mit dem Begriff Moderne ein idealisiertes
Bild der westlichen, bürgerlichen Gesellschaft assoziiert, in der der aufgeklärte
moderne Mensch die moderne Welt beherrsche. Während hier ein aktives Verhältnis
zur Welt gezeichnet wird, wird für die traditionale Gesellschaft ein passives
Weltverhältnis unterstellt. Mit dieser simplen Deutung wird die Aneignung von
Moderne als sozialer und kultureller Akt der Befreiung von Tradition verstanden.»
Soweit Kelek 2002. Dagegen Kelek 2005: «Die Tradition frisst die Moderne.»
    Den luziden Absatz der Doktorarbeit über ein
Islamverständnis im Bann der eigenen Gegensatzkonstrukte und Scheinevidenzen
könnte man als Rezensent jedes späteren Kelek-Buchs übernehmen. «Die Tradition
frisst die Moderne.» Dabei wäre es umgekehrt richtig! Folgender Satz aus «Die
fremde Braut» soll eine Analyse der Auswirkungen der «Islamisierung der
türkischen Gesellschaft» auf die Migranten in Deutschland sein: Neuerdings
«kommen die alten Traditionen und Bräuche, von denen man glaubte, sie seien
durch Atatürks Reformen und durch die Moderne überwunden, wieder zur
Anwendung». Den durch die jüngste Geschichte erschütterten republikanischen
Glauben an die Überwindung der Tradition fasst die Islamkritikerin nicht kritisch
ins Auge. Sie fragt nicht, ob dieser Glaube vielleicht deshalb im Irrtum war,
weil der Staatsgründer sich genau dem idealistischen Traumbild der
Modernisierung durch schiere Willenskraft verschrieben hatte, das sie an der
zitierten Stelle der Doktorarbeit auseinandergenommen hat. Die Befreiung von
der Tradition sollte für die Aneignung der Moderne genügen. Die autoritären
Züge der türkischen Verfassung wie auch des Bildungssystems, in dem eine
säkulare Elite ein Aufklärungsmonopol reklamierte, konservieren die

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