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Balkan Blues

Balkan Blues

Titel: Balkan Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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Schicksalsschläge in einer Nacht waren zu viel für Vassilis. Um zumindest mit dem einen zu Rande zu kommen, untersagte er seiner Familie jegliche Erwähnung Tatjanas. Die beiden Söhne, stellvertretende Wahrer der Familienehre, beeilten sich, es ihm recht zu machen. Maria wagte keinen Einspruch und gab ihrer Trauer mit lautlosen Tränen Ausdruck.
    Die beiden aufeinanderfolgenden Schicksalsschläge hatten Vassilis in seiner Haltung nur noch bestärkt, statt ihn zu erweichen. Er hatte ein wenig Geld auf der hohen Kante und beschloß, das Lokal wieder zu eröffnen. Er stürzte sich in die Arbeit und versuchte, Tatjanas Verschwinden zu vergessen. Schließlich waren seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion Tausende junger Frauen von zu Hause verschwunden und erst in irgendeinem erdölexportierenden Land wieder aufgetaucht.
    Eine Woche vor der Neueröffnung tauchte der Mafioso mit seinen beiden Schlägern auf.
    »Na, viel Glück für die Zukunft«, sagte er freundschaftlich zu Vassilis. »Bravo, du bist tüchtig und gibst nicht so schnell auf.«
    Vassilis blickte ihn an, außer sich vor Wut. »Ich zahl dir keine Schutzgebühr. Da schlafen wir lieber alle mit unseren Gewehren im Lokal. Dann zünd es nochmals an, wenn du dich traust.«
    Der Mafioso lächelte. »Wer redet denn von Schutzgebühr?« meinte er freundschaftlich. »Wir reden von Teilhaberschaft.«
    »Ich will keinen Teilhaber am Hals. Und schon gar keinen, der mir den Laden abfackelt.«
    »Ich lege noch mal soviel Kapital drauf, damit du ein Luxusrestaurant daraus machen kannst, und der Gewinn wird sechzig zu vierzig geteilt.«
    Vassilis zauderte. Einerseits sah er die Möglichkeit vor sich, wie sein Traum in Erfüllung gehen konnte, andererseits paßte ihm ein Mafioso als Teilhaber nicht. Doch dann dachte er mit kühlem Kopf noch einmal darüber nach. Hätte er denn jemals abgelehnt, wenn ein Kreissekretär ihm angeboten hätte, sein Teilhaber zu werden? »In Ordnung, aber fünfzig-fünfzig.«
    Der Mafioso lächelte und klopfte ihm freundlich auf die Schulter, als Zeichen seines Einverständnisses. Das Odessa sollte tatsächlich zu einem Luxuslokal werden, mit gestärkten Tischdecken, Stoffservietten und Tafelsilber, wie eines jener Restaurants, in denen der Kreissekretär und die Parteibonzen getafelt hatten.
    Eine Stunde vor der Neueröffnung sah Vassilis einen schwarzen Mercedes vorfahren. Einer der beiden Schläger stieg aus und öffnete die Wagentür. Die junge Frau, die aus dem Wagen stieg, trug einen teuren Pelzmantel und war perfekt geschminkt und frisiert. Vassilis hätte Tatjana fast nicht wiedererkannt. Zur Salzsäule erstarrt brachte er keinen Ton hervor. Seine Tochter ging gleichgültig an ihm vorbei und betrat das Lokal. Sobald er sich erholt hatte, eilte Vassilis hinter ihr her.
    »Du Flittchen!« schrie er und wollte sich auf sie stürzen, doch die beiden Schläger packten ihn und drückten ihn auf einen Stuhl.
    Tatjana wandte sich lässig zu ihm um. Sie zog sich den Pelz von den Schultern und warf ihn über eine Stuhllehne. Darunter trug sie ein schwarzes Abendkleid. Ohren, Hals und Hände waren mit Schmuckstücken übersät.
    »Von heute an wirst du an der Kasse sitzen«, sagte sie auf russisch zu ihrem Vater. »Die Aufsicht über das Restaurant übernehme ich. So hat Igor entschieden.« Dann wandte sie sich an ihre beiden Brüder, die alles mit offenem Mund verfolgten. »Ihr habt eine Woche lang Zeit, um von Kellnern zu Maîtres zu werden«, meinte sie, wieder auf russisch. »Sonst jage ich euch davon und stelle jemand anderen ein. Ich kann keine dahergelaufenen Zigeuner in meinem Restaurant gebrauchen.«
    »Wer bist du denn, daß du mir befehlen kannst?« rief Vassilis wütend. »Dieses Lokal habe ich im Schweiße meines Angesichts aufgebaut.«
    »Das weiß ich«, entgegnete seine Tochter kühl. »Deshalb überlasse ich dir auch die Hälfte. Doch wenn du dich nicht zu benehmen weißt, kaufe ich dir deine Hälfte ab und setze dich vor die Tür.«
    Seit jenem Abend sagte Tatjana kein einziges griechisches Wort mehr. Sie sprach mit allen russisch. Und Vassilis hielt – wie früher in der Sowjetunion – wieder den Mund und tat seine Arbeit. Das Lokal gab ihm keinen Anlaß zur Klage. Unter Tatjanas Federführung warf es eine Menge Geld ab. Seine einzige Klage galt dem Verhalten seiner Tochter. Wie konnte sie bloß ihre Familie, ihre Heimat, ihre Muttersprache verleugnen?
    Wenn er freilich Marx gelesen hätte, dann hätte er gewußt, daß Geld

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