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Balkan Blues

Balkan Blues

Titel: Balkan Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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beobachtete, wie sie beim Schreiben erneut innehielt. »Es ist die Gelegenheit, um mich von der Masse abzuheben und zu einer Figur aus Fleisch und Blut zu werden.« Und er nahm noch einen Schluck von seinem Kaffee Frappé.
    Jedesmal, wenn sie den Blick von ihrem Notizblock hob, betrachtete Aliki durch ihre dunkle Sonnenbrille den Typen am Nebentisch, bevor sie wieder zu den Felsen hinüberblickte.
    Warum starrt er mich so an? Was will er von mir? Wenn er selbst in diesem Zustand etwas an mir findet, dann ist er pervers.
    Und mit diesem Gedanken erhob sie sich und machte sich auf zum Strand nach Tsigouri.
     
    Ich habe Fortschritte gemacht. Seit zwei Tagen lasse ich sie nicht aus den Augen. Am Morgen sonnten wir uns in Tsigouri, nur zwei Meter voneinander entfernt, blickten in entgegengesetzte Richtungen und taten so, als sähen wir einander nicht.
    Nun ist es ein Uhr morgens, und wir haben uns in der kleinen Bar namens Glamour an benachbarten Tischen niedergelassen. Aus dem Lautsprecher dringt ein Musikpotpourri: Rembetiko, Schnulzen, Madonna und dazwischen Inselweisen.
    Aliki trinkt soeben ihre vierte kleine Karaffe Tsipouro-Schnaps auf leeren Magen aus, und ich bin beim zweiten Kaffee Frappé. Sie leert ihr Glas, legt das Geld auf die Rechnung und erhebt sich. Während sie an mir vorüberschwankt, denke ich, daß jetzt vielleicht der geeignete Augenblick wäre, sie auf dem Meeresgrund zu versenken. Doch nun passiert etwas Unvorhergesehenes und wirft meine Planung über den Haufen. Sie hät kurz vor mir inne, ringt um ihr Gleichgewicht, blickt mich an und wirft mir dann ein Lächeln zu.
    »Wir beide geben eine kuriose Mischung ab«, sagt sie, »der eine sternhagelvoll, der andere stocknüchtern.« Und sie schüttelt sich vor Lachen.
    Ich grinse mit, um meine Verlegenheit zu verbergen. Ich ringe nach einer Entgegnung, doch sie kommt mir zuvor.
    »Stört es Sie, wenn ich mich ein wenig zu Ihnen setze?« Gleich darauf bestellt sie beim Kellner die fünfte kleine Karaffe. »Trinken Sie einen mit?«
    »Vielleicht sollten Sie was anderes als Tsipouro trinken?« Kaum sind mir diese Worte rausgerutscht, schlage ich mir innerlich an die Stirn. Ich sollte sie doch darin bestärken und nicht bremsen.
    Glücklicherweise braucht sie gar keine Ermunterung.
    »Was denn, Kaffee Frappé etwa?« meint sie ironisch lächelnd.
    »Das würde Sie ausnüchtern.«
    »Und wer sagt Ihnen, daß ich ausgenüchtert werden will?« Doch nun erschrickt sie über ihre eigenen Worte. »Nein, nein, keine Angst … Ich werde Ihnen nicht auf die Nase binden, warum ich mein Leid im Alkohol ertränke!« Und um mich davon zu überzeugen, hängt sie sich an meinen Hals und versetzt mir einen dicken Schmatz auf die Backe. »Sieh mal … Weil du so süß bist, trink ich glatt noch einen mit dir.«
    Ihre Arme bleiben um meinen Hals geschlungen. Es bleibt dahingestellt, ob in zärtlicher Anwandlung oder aus Furcht, sonst umzukippen.
     
    Die Pension lag auf halbem Weg nach Mesaria. Auf der ganzen Strecke hielt Jimmy Aliki fest im Arm, da sie mal über eine Bodenwelle, mal über einen Stein stolperte. Jedesmal, wenn Jimmy ihr unter die Arme griff, überschüttete Aliki ihn mit Komplimenten der Art: »Ich wußte gleich, daß du ein Gentleman bist. Das hab ich auf den ersten Blick gemerkt.« Da sie ihren Körper nicht mehr unter Kontrolle hatte, gingen ihre Küsse meist ins Leere. Mit Müh und Not brachte er sie ans Ziel. Sie ins obere Stockwerk zu verfrachten war Schwerstarbeit. Aliki schaffte es bis zur dritten Treppenstufe, blieb dort hängen und rutschte wieder zurück. Nach dem vierten Versuch gab Jimmy auf, er nahm sie auf den Arm und begann die Treppen hinaufzusteigen.
    »Warum spionierst du mir hinterher?«
    Die Frage kam aus heiterem Himmel, und diesmal wäre Jimmy fast gestolpert. Er versuchte das Gleichgewicht zu halten, während er verzweifelt nach einer Erklärung rang. Zum Glück bot ihm Aliki einen Ausweg.
    »Laß nur, sag nichts. Bis morgen früh habe ich es ohnehin wieder vergessen.«
    Vor ihrer Zimmertür klammerte sie sich an seinen Hals und flüsterte ihm zu: »Bleib heut nacht bei mir.«
    Plötzlich schoß ihm die Idee durch den Kopf, sie dort, auf dem Bett, zu töten. Es war so einfach. Er mußte nur ein Handtuch aus dem Badezimmer holen und es ihr auf das Gesicht drücken.
    »Bitte, bleib … Ich kann … So betrunken bin ich nicht …«, flüsterte Aliki. Mit einem Mal brach sie in Tränen aus. »Nein, nein, ich weine bestimmt nicht, wenn

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