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Balkan Blues

Balkan Blues

Titel: Balkan Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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entschieden, als wolle er ihm beweisen, daß er kein Angsthase war.
    Der andere hob die Schultern. »Schau dich um. Überall stellen Banken, Büros und Lokale Sicherheitspersonal ein. Wir machen dieselbe Arbeit zum halben Preis.«
    »Ich brauche keinen Schutz«, wiederholte Vassilis.
    »Denk drüber nach. Dabei verlierst du nichts. Wir sprechen uns wieder.«
    Er trat aus der Küche, ohne Vassilis’ Antwort abzuwarten. Vor der Kasse blieb er stehen.
    »Schau mich an«, sagte er zu Tatjana.
    Seine Stimme war weder rauh noch befehlend, sondern ein suggestives Flüstern. Tatjana gehorchte und hob langsam den Kopf. Sie spürte, wie sein forschender Blick über ihr Gesicht glitt, als wolle er jede Einzelheit festhalten. Doch diesmal hatte sie keine Angst. Sie ließ es zu, daß er sie in aller Ruhe musterte.
    »Du bist schön«, sagte er mit derselben Flüsterstimme.
    Tatjana senkte wieder den Blick, und der Mafioso entfernte sich. Sie hörte, wie die Tür des Lokals hinter ihm ins Schloß fiel.
    Vassilis verfolgte die Szene von der Küche aus. Er hätte sich am liebsten auf den Mafioso gestürzt, doch der Leitsatz aus der Zeit der Sowjetherrschaft hielt ihn zurück: »Der Kreissekretär sitzt auf dem längeren Ast. Also halt den Mund, und tu deine Arbeit.« Er biß die Zähne zusammen, bis sie um drei Uhr morgens nach Hause gingen. Dann stürzte er sich auf seine Tochter und schrie: »Den Mafioso mußtest du anschauen, du Luder! Ausgerechnet den Mafioso!« Und unerbittlich schlug er auf sie ein. Die Familie zog es vor sich zu verkrümeln. Vassilis prügelte seine Tochter, bis ihm die Luft ausging. Dann ließ er mitten im Wohnzimmer von ihr ab und fiel, angezogen wie er war, ins Bett.
    Am nächsten Abend kam der Mafioso wieder. Diesmal nahm er an einem Tisch Platz, aß und bezahlte seine Rechnung wie ein normaler Gast. Seit jenem Abend wurde er zum Stammkunden. Vassilis schäumte vor Wut, doch er wagte es nicht, sich mit ihm anzulegen. Dazu gab er ihm auch keinen Grund. Er aß mit seinen beiden Schlägern, zahlte und ging. Nur einmal fragte er Vassilis, ob er über seinen Vorschlag nachgedacht hätte. Vassilis wiederholte, er brauche keinen Schutz. Der andere bestand nicht weiter darauf, und das Thema hatte sich erledigt.
    Doch Tatjana kam dafür zum Handkuß: Jeden zweiten Abend kühlte Vassilis sein Mütchen an ihr.
     
    Der Telefonanruf riß sie aus dem Schlaf. »Das Odessa brennt«, sagte eine Stimme und hängte ein.
    Vangelis, der älteste Sohn, hatte ganz verschlafen den Hörer abgenommen und brauchte eine Weile, um die Nachricht zu begreifen. Als ihm die Wahrheit dämmerte, weckte er die Familie, und alle sprangen in den Lieferwagen, um zum Lokal zu fahren.
    Schon von weitem waren die Flammen zu sehen. Auf dem Bürgersteig gegenüber hatte sich eine Menschenmenge versammelt, und die Bewohner der umliegenden Häuser bestaunten von ihren Balkonen aus die Feuersbrunst. Zwei Löschzüge der Feuerwehr versuchten, das Feuer unter Kontrolle zu bringen, das sich im ganzen Gebäude ausgebreitet hatte. Vassilis begriff, daß nichts als die Grundmauern von seinem Restaurant übrig bleiben würden. Er näherte sich dem Feuerwehrhauptmann: »Was war es? Eine brennende Zigarette oder das Propangas?«
    Der Feuerwehrmann drehte sich um. »Brandstiftung«, entgegnete er trocken. »Jemand hatte eine Rechnung mit dir offen.«
    »Ich habe mit niemandem Streit. Hier in der Nachbarschaft kennen mich alle.« Im selben Augenblick kam ihm der Mafioso in den Sinn, aber er sagte nichts, so wie früher beim Kreissekretär: Er dachte zwar an ihn, erwähnte ihn aber mit keinem Wort.
    »Das kannst du bei der Befragung erzählen«, meinte der Feuerwehrmann und wandte sich wieder seiner Arbeit zu.
    Als er sich zu den Ermittlungen einfand, waren vom Odessa nur noch die Brandreste übrig. Er wurde über drei Stunden befragt, doch wiederum sagte er kein Wort über den Mafioso. Vor dem Feuerwehrgebäude wartete seine Familie mit dem Lieferwagen auf ihn. Alle, außer Tatjana.
    »Wo ist Tatjana?« fragte er.
    Die Familie blickte sich verlegen an. »Wissen wir nicht«, antwortete Iosif, der jüngere Sohn. »Als wir heimfahren wollten, war sie verschwunden.«
    »Vielleicht ist sie schon zu Hause«, meinte Maria.
    Doch dort war sie nicht. Und auch in den darauffolgenden Tagen tauchte sie nicht auf. Vassilis klapperte mit seinen Söhnen alle Schuppen ab, in denen sich Russinnen, Pontusgriechinnen und Ukrainerinnen prostituierten, doch ohne Erfolg.
    Zwei

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