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Balkan Blues

Balkan Blues

Titel: Balkan Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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du bei mir liegst …«, beruhigte sie ihn. »Ehrenwort. Alles unter Kontrolle.«
    Jimmy zog sie langsam, fast zärtlich aus. Aliki hielt die Augen geschlossen und lächelte unter Tränen. Als er bei BH und Slip angelangt war, drehte sich Aliki zur Seite und begann zu schnarchen.
    Er hatte das Handtuch gepackt und wollte gerade damit aus dem Bad treten, als sein Blick auf die Klinge des Damenrasierers fiel. Warum mit dem Handtuch, dachte er. Wäre es nicht klüger, ihr die Pulsadern aufzuschneiden, damit es wie Selbstmord aussah? Er war sehr stolz auf seine Idee, doch als er sich über sie beugte, um ihr Handgelenk zu fassen, wirkte ihr Körper so eingefallen, so voller Falten – er sah die Hängebrüste, den schnarchenden, halboffenen Mund, und eine tiefe Trauer erfaßte ihn. Er warf die Rasierklinge aufs Bett und rannte aus dem Zimmer.
    »Ich bin ein Versager«, sagte er immer wieder, als er den dunklen Feldweg entlangging. »Deshalb habe ich es nie weit gebracht. Niemand mag Figuren, die eine Geschichte grundlos in die Irre führen.«
    Hundert Meter weiter erhellten die Scheinwerfer eines Wagens die Straße. Er gab dem Fahrer ein Handzeichen, der daraufhin neben ihm hielt. »Wenn du zum Hafen willst, steig ein«, meinte er.
    Am Hafen ließ die Autofähre gerade die Laderampe herab.
    »Kann ich auf dem Schiff eine Fahrkarte lösen?« fragte Jimmy einen Mitarbeiter der Hafenbehörde.
    »Wohin?«
    »Nach Piräus.«
    »Die nehmen jetzt keine Passagiere nach Piräus an Bord. Der Fahrplan hat sich geändert. Die fahren zuerst nach Amorgos. Morgen früh kommen sie zurück, dann erst steigen die Fahrgäste nach Piräus zu.«
    Diesmal kam Jimmy um den Fußmarsch nicht herum.
     
    Die Braut, die diese Geschichte schreibt, will mich nicht von der Insel weglassen. Sie wird mir so lange Steine in den Weg legen, bis ich tue, was sie von mir will. Durch die gestrige Nachtwanderung wurde mein Kopf wieder klar, und ich schämte mich. Man vergeht beim Anblick einer auf dem Bett zusammengebrochenen Frau nicht vor Mitgefühl. Ganz im Gegenteil: Man bringt sie aus Mitleid um und erlöst sie so von ihrem Leiden.
    Diese Gedanken gehen mir durch den Kopf, während ich mein Kaffee Frappé trinke. Aliki tritt aus dem Haus und kommt lächelnd auf mich zu. Die Farbe ihrer Augen wirkt wäßrig und ihr Blick trübe.
    »Ich habe vor, heute einen Ausflug mit dir zu machen«, meint sie.
    »Wohin?«
    »Nach Nikia. Unten am Meer liegt ein verlassenes Fischerdorf. Da lebt keiner mehr. Kannst du Motorrad fahren?«
    »Kann ich.«
    »Schön, ich notiere schnell noch etwas, und dann können wir los.«
    Sie zieht ihren Block heraus, notiert etwas und steckt ihn wieder in ihre Tasche zurück.
    Bevor wir beim Motorradverleih anlangen, bleibt sie jäh mitten auf der Straße stehen und blickt mich an.
    »Weißt du, heute morgen ist mir etwas Komisches passiert. Ich bin mit einer Rasierklinge im Bett aufgewacht.«
    Ihre Bemerkung trifft mich unvorbereitet, doch ich behalte die Nerven.
    »Nun, wahrscheinlich hast du sie, als du aus dem Badezimmer kamst, dort liegenlassen.«
    »Wahrscheinlicher ist, daß ich erfolglos versucht habe, mir die Pulsadern aufzuschneiden«, entgegnet sie heiter.
    Die Straße nach Nikia ist schmal, kurvenreich und von Gebüsch fast zugewuchert. Weit und breit kein einziger Baum, nur das Meer bleibt immer in Sichtweite.
    Die Straße verbreitert sich zu einer Abzweigung: Der eine Weg führt in die Berge hoch, der andere zum Geisterdorf ans Meer hinunter.
    »Wir fahren ans Meer«, sagt Aliki und deutet auf den Pfad.
    Vor unseren Augen tauchen langsam die gespenstischen Steinhäuser des Fischerdorfes auf, die durch verschiedenartige Treppen verbunden zum kleinen Hafen hinabführen. Ich bin ganz in den Anblick versunken, als ich neben mir Alikis Stimme höre.
    »Die Rasierklinge habe nicht ich dort vergessen. Du hast sie gestern dort liegenlassen.« Ich blicke sie verdutzt an. »Du wolltest mich umbringen, hast es dir in letzter Minute aber anders überlegt.« Sie lächelt mir zu, als spräche sie von der natürlichsten Sache der Welt.
    »Spinnst du?«
    Die Braut, die diese Geschichte schreibt, würde mich wegen dieser abgeschmackten Bemerkung bestimmt am liebsten ohrfeigen.
    »Ich weiß, daß du auf die Insel gekommen bist, um mich zu töten«, beharrt Aliki.
    Stumm wie ein Fisch starre ich sie an.
    »Du kannst ruhig offen zu mir sein.« Sie spricht gelassen weiter und lächelt. »Alles in meinem Leben ist schief gelaufen. Ich bin eine

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