Ball der Vampire
Königin sich richtig zu langweilen begann?
Und dann kam meine Cousine Hadley ins Wohnzimmer.
Ich war so schockiert, dass ich sie beinahe angesprochen hätte. Nach einem zweiten Blick erkannte ich, dass es natürlich nicht die echte Hadley war. Die Gestalt hatte ihre Figur und bewegte sich wie sie, doch dieses Scheinbild bestand aus nichts als flüchtigen Farben. Ihr Haar war nicht richtig schwarz, sondern nur eine glitzernde Anmutung von Schwarz. Sie wirkte, als wäre sie aus einem flüssigen Stoff gemacht. Man sah die Oberfläche geradezu schimmern. Neugierig betrachtete ich sie: Wir hatten uns so lange nicht gesehen. Hadley war natürlich älter geworden, und ihr Gesicht wirkte härter mit dem bitteren Zug um den Mund und dem skeptischen Blick.
Die rekonstruierte Gestalt nahm selbstverständlich niemand anderen im Zimmer wahr, ging zu dem kleinen Sofa hinüber, griff nach der Fernbedienung und schaltete den Fernseher ein. Ich spähte kurz auf den Bildschirm, um einen Blick aufs Programm zu werfen, doch es war natürlich nichts zu sehen.
Als ich eine Bewegung neben mir spürte, sah ich die Vampirkönigin an. Wenn ich eben schockiert gewesen war, so war sie elektrisiert. Ich hatte nie geglaubt, dass die Königin Hadley tatsächlich geliebt hatte, doch jetzt sah ich es. Soweit ihr das überhaupt möglich war, musste Sophie-Anne meine Cousine geliebt haben.
Wir sahen, wie Hadley hin und wieder zum Fernseher blickte, während sie sich die Zehennägel lackierte, ein Phantomglas Blut trank und einen Anruf machte. Hören konnten wir sie nicht. Wir konnten sie nur sehen, und auch das nur in engen Grenzen. Die Dinge um sie herum wurden für uns erst sichtbar, wenn sie sie berührte, und so konnten wir erst dann sicher sein, was vor sich ging, wenn sie es auch tatsächlich tat. Als sie sich vorbeugte, um das Glas auf den Tisch zu stellen, sahen wir, solange sie es festhielt, das Glas, den Tisch mit den anderen Dingen darauf und Hadley, alles zusammen und alles mit dieser glitzernden Patina. Der Geistertisch hatte sich über den realen Tisch gelegt, der nicht exakt an derselben Stelle stand wie in jener Nacht, was das Ganze nur noch verrückter erscheinen ließ. Als Hadley das Glas losließ, verschwanden sowohl Glas als auch Tisch wieder.
Andre stand mit weit aufgerissenen Augen da und starrte die Szene an, als ich mich nach ihm umdrehte. So viel Ausdruck hatte ich in seinem Kindergesicht vorher noch nie gesehen. Die Königin trauerte, ich war fasziniert und bekümmert, Andre aber war einfach nur total verängstigt.
Wir sahen noch ein paar Minuten länger zu, bis Hadley offensichtlich ein Klopfen an der Tür hörte. Ihr Kopf drehte sich zur Tür, und sie wirkte überrascht. Sie stand auf (das Phantomsofa, das vielleicht fünf Zentimeter weiter rechts stand als das reale, wurde unsichtbar) und ging durchs Zimmer. Durch meine Sneakers, die neben dem Sofa standen, ging sie einfach hindurch.
Okay, es war komplett irre. Dieser ganze Zauber war komplett irre, aber faszinierend.
Die anderen draußen im Hof hatten den Besucher sicher die Treppe hinaufgehen sehen, denn ich hörte einen der Berts - ich glaube, es war Wybert - laut fluchen. Als Hadley die Phantomtür öffnete, stieß die auf der Galerie positionierte Patsy die reale Tür auf, damit wir etwas sehen konnten. Amelias verdrossener Miene entnahm ich, dass sie sich ärgerte, daran nicht schon vorher gedacht zu haben.
Vor der Tür stand (als Phantom) Waldo, der Vampir, der jahrelang zum Gefolge der Königin gehört hatte. In den Jahren vor seinem Tod war er sehr oft bestraft worden, weshalb er eine total vernarbte Haut hatte. Und da Waldo vor diesen Bestrafungen ein ultradünner Albino gewesen war, hatte er schrecklich ausgesehen in der einzigen Nacht, in der ich ihm begegnet war. Als schimmernde Phantomgestalt sah er wirklich viel besser aus.
Hadley wirkte überrascht über diesen Besuch. Der Ausdruck stand ihr so deutlich ins Gesicht geschrieben, dass er leicht zu erkennen war. Dann zeigte ihr Gesicht Abscheu, doch sie trat einen Schritt zurück und ließ ihn herein.
Während sie zum Tisch zurückging und wieder nach dem Glas griff, sah Waldo sich in alle Richtungen um, um zu prüfen, ob noch jemand da war. Ich konnte der Versuchung, Hadley zu warnen, kaum widerstehen.
Nach einem Gespräch, das wir natürlich nicht verstehen konnten, zuckte Hadley die Achseln. Wahrscheinlich ging es um den Plan, von dem Waldo mir in der Nacht erzählt hatte, als er gestand,
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