Ball der Vampire
»Ich weiß nur, dass Crystal nicht ins Krankenhaus geht, weil sie eine Werpantherin ist. Sie wurde ja eingeliefert, als ihr damals das Wildschwein den Oberschenkel aufschlitzte, genau wie Calvin, nachdem auf ihn geschossen wurde. Aber sie sind beide so schnell wieder gesund geworden, dass es Gerede im Ärztezimmer gab. Das hat sie mitgekriegt, und jetzt will sie nicht wieder hin. Sie ist bei mir zu Hause, aber es geht ihr... es geht ihr nicht gut. Eigentlich geht es ihr sogar immer schlechter und nicht besser.«
»Oh, oh. Inwiefern?«, fragte ich.
»Sie hat starke Blutungen, und sie kommt nicht auf die Beine.« Er schluckte schwer. »Sie kann kaum stehen, noch viel weniger gehen.«
»Hast du Calvin angerufen?« Calvin Norris ist Crystals Onkel und der Anführer der Werpanther in dem kleinen Dorf Hotshot draußen auf dem Land.
»Sie will nicht, dass ich Calvin anrufe. Sie hat Angst, dass Calvin mich umbringt, weil ich sie geschwängert habe. Crystal wollte ja nicht mal, dass ich es dir erzähle. Aber ich brauche einfach Hilfe.«
Ihre Mutter lebte zwar nicht mehr, doch Crystal hatte jede Menge weibliche Verwandte in Hotshot. Ich hatte noch nie ein Kind bekommen, ich war noch nicht mal schwanger gewesen, und ich war keine Gestaltwandlerin. Jede dieser Verwandten wusste mehr darüber als ich, und das sagte ich Jason auch.
»Ich will nicht, dass sie so lange aufrecht sitzen muss, bis wir in Hotshot sind, und schon gar nicht in meinem Pick-up.« Mein Bruder wirkte so stur wie ein Esel.
Eine entsetzliche Minute lang glaubte ich, Jasons größte Sorge sei, dass Crystal die Polster seines geliebten Pick-up mit ihrem Blut beschmutzen könnte. Ich wollte ihm gerade an die Kehle springen, als er hinzufügte: »Die Stoßdämpfer sind völlig hinüber, und ich habe Angst, dass das Holpern auf dieser miserablen Landstraße für Crystal alles nur noch schlimmer macht.«
Dann mussten eben ihre Verwandten zu Crystal kommen. Aber noch ehe ich es ausgesprochen hatte, wusste ich, dass Jason einen Grund finden würde, der auch gegen diesen Vorschlag sprach. Er hatte irgendeinen Plan. »Okay, was soll ich tun?«
»Hast du nicht mal erzählt, dass die Vampire nach diesem Angriff auf dich eine spezielle Ärztin geholt haben, die die Verletzungen an deinem Rücken behandelt hat?«
An den Abend werde ich gar nicht gern erinnert. Auf meinem Rücken sind heute noch feine weiße Narben zu sehen, die ich dem Angriff der Mänade verdanke. Das Gift an ihren Klauen hat mich fast getötet. »Ja«, sagte ich langsam. »Dr. Ludwig.« Dr. Ludwig war nicht nur die Ärztin aller unheimlichen und seltsamen Geschöpfe, sondern selbst höchst eigenartig. Sie war extrem klein - sehr, sehr klein. Und ihre Gesichtszüge konnte man beim besten Willen nicht gerade regelmäßig nennen. Es würde mich zutiefst wundern, wenn Dr. Ludwig überhaupt ein menschliches Wesen war. Beim Wettkampf der Leitwolfkandidaten hatte ich sie ein zweites Mal gesehen, und das war wieder in Shreveport gewesen. Die Chancen, dass sie dort auch wohnte, standen also nicht schlecht.
Um nicht das Naheliegendste zu versäumen, holte ich das Telefonbuch von Shreveport aus der Schublade unter dem Wandtelefon und schlug ihren Namen nach. Eine Dr. Amy Ludwig stand drin. Amy? Ich unterdrückte ein Auflachen.
Es machte mich ziemlich nervös, dass ich einfach aus heiterem Himmel bei Dr. Ludwig anrufen sollte. Aber Jason war so besorgt, da durfte ich mich wegen eines läppischen Anrufs nicht so anstellen.
Es klingelte viermal. Dann sprang ein Band an und eine mechanisch klingende Stimme sagte: »Sie haben die Nummer von Dr. Amy Ludwig gewählt. Dr. Ludwig nimmt keine neuen Patienten an, ob mit oder ohne Krankenversicherung. Dr. Ludwig möchte weder Proben von Medikamenten zugeschickt bekommen, noch braucht sie irgendeine Versicherung. Sie hat auch kein Interesse daran, ihr Geld anzulegen oder es für wohltätige Zwecke zu spenden, die sie nicht selbst ausgesucht hat.« Es folgte ein langes Schweigen, und in dieser Zeit legten die meisten Anrufer vermutlich wieder auf. Ich legte nicht auf. Einen Augenblick später hörte ich ein Klicken in der Leitung.
»Hallo?«, sagte jemand leise, aber recht schroff.
»Dr. Ludwig?«, fragte ich vorsichtig.
»Ja? Ich nehme keine neuen Patienten mehr an, das haben Sie doch gehört! Ich habe viel zu tun!«
»Ich bin Sookie Stackhouse. Spreche ich mit der Dr. Ludwig, die mich in Erics Büro im Fangtasia behandelt hat?«
»Sind Sie das junge Mädchen,
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