Ball der Vampire
fragte ich ihn mit vernünftig klingender Stimme.
Genauso erschrocken wie die Krankenschwester sah er mich an. »'tschuldigung«, sagte er und wich zurück. Ich ging einen Schritt hinter ihm her.
» Ich habe gar nichts! «, schrie ich. Und dann fügte ich in absolut ruhigem Ton hinzu: »Wissen Sie, ich hatte von Anfang an überhaupt nichts.«
Er zitterte und brabbelte irgendetwas, doch ich ignorierte ihn und machte mich auf den Weg. Der Krankenwagen war auf dem Hinweg rechts in die Klinikauffahrt abgebogen, also ging ich nach links. Ich konnte mich nicht erinnern, wie lange die Fahrt gedauert hatte, denn ich hatte mich mit Delagardie unterhalten. Da war ich noch ein anderer Mensch gewesen. Ich ging und ging und ging, unter Palmen entlang, an rhythmischer Musik vorbei, streifte abblätternde Fensterläden von Häusern, die direkt am Gehweg standen.
In einer Straße mit vielen Bars kamen ein paar junge Männer aus einer heraus, als ich gerade vorbeiging. Einer von ihnen packte mich am Arm. Schreiend fuhr ich herum, und mit einer seltsam ruckartigen Bewegung schleuderte ich ihn gegen die Wand. Benommen stand er da und rieb sich den Kopf.
Seine Freunde zogen ihn weg. »Die is verrückt«, sagte einer besänftigend. »Lass die in Ruh.« Sie verschwanden in die andere Richtung.
Nach einiger Zeit hatte ich mich so weit erholt, dass ich mich fragte, was ich hier tat. Aber ich hatte nur eine unklare Vorstellung. Als ich auf einem kaputten Gehweg stolperte, hinfiel und mir das Knie aufschlug, so dass es blutete, brachte der neuerliche körperliche Schmerz mich ein Stück weit zu mir selbst zurück.
»Tust du das, damit es ihnen leidtut, dass sie dir wehgetan haben?«, fragte ich mich selbst laut. »O mein Gott, die arme Sookie! Ist aus dem Krankenhaus weggelaufen, ganz verrückt vor Kummer, und allein durch die gefährlichen Straßen von Big Easy geirrt, weil Bill ihr das angetan hat!«
Ich wollte nicht, dass Bill jemals wieder meinen Namen aussprach. Als ich langsam - sehr langsam - zu mir kam, begann ich mich zu wundern, dass ich mit solch einem heftigen Ausbruch reagiert hatte. Wären Bill und ich noch zusammen gewesen, als ich erfuhr, was ich an diesem Abend erfahren hatte, hätte ich ihn umgebracht; das wusste ich glasklar. Und der Grund, warum ich aus dem Krankenhaus raus musste, war ebenso glasklar. Ich hätte es nicht ertragen, mit irgendjemand auf der Welt reden zu müssen. Wie aus heiterem Himmel hatte mich das allerschmerzlichste Wissen getroffen: Der erste Mann, der je zu mir sagte, dass er mich liebte, hat mich nie geliebt.
Seine Leidenschaft war vorgetäuscht.
Sein Werben um mich war arrangiert.
Ich muss eine so leichte Beute für ihn gewesen sein, so gutgläubig und bereit, mich von dem ersten Mann, der mir ein bisschen Zeit und Aufmerksamkeit schenkte, gewinnen zu lassen. Gewinnen zu lassen! Schon die Worte allein taten mir weh. Er hatte mich nie als erstrebenswerten Gewinn betrachtet.
Bis das ganze Gebäude in einem einzigen Moment eingestürzt war, hatte ich mir nie eingestanden, wie sehr mein Leben im letzten Jahr auf die morschen Grundmauern von Bills Liebe und Anerkennung gebaut gewesen war.
»Und dem habe ich das Leben gerettet«, sagte ich erstaunt. »Ich bin nach Jackson gefahren und habe mein Leben für ihn riskiert, weil er mich liebte.« Ein Teil von mir wusste, dass das so nicht ganz stimmte. Ich hatte es getan; weil ich ihn liebte. Und in diesem Moment wunderte ich mich auch darüber, dass der Ruf seiner Schöpferin Lorena noch stärker gewesen sein sollte als der Befehl der Königin. Aber ich war ganz und gar nicht in der Stimmung, emotionale Haarspaltereien zu betreiben. Beim Gedanken an Lorena durchfuhr mich allerdings ein anderer Schock. »Und getötet habe ich auch für ihn«, sagte ich in die tiefschwarze Nacht hinein. »O mein Gott. Ich habe getötet für ihn .«
Zerschrammt, voller blauer Flecken, blutbeschmiert und schmutzig stand ich auf der Straße und sah zu einem Schild hinauf. »Chloe Street« stand darauf. Hier war Hadleys Apartment, dämmerte es mir. Ich bog rechts ab und ging wieder weiter.
Das Haus war dunkel, oben und unten. Vielleicht war Amelia noch im Krankenhaus. Ich hatte keine Ahnung, wie spät es war oder wie lange ich gelaufen war.
Hadleys Apartment war abgeschlossen. Ich ging hinunter, nahm einen der Blumentöpfe, die Amelia vor ihrer Tür arrangiert hatte, stieg die Treppe erneut hinauf und warf ihn durch eine der Glasscheiben der Tür. Ich fasste
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