Ball der Vampire
weggelaufen?« Sie sah mich böse an. »Das hättest du mir auch sagen können. Ich habe mich in der Nacht noch diese Treppe raufgequält, um nach dir zu sehen. Und dann hattest du die Tür verbarrikadiert. Also musste ich die verdammte Treppe wieder runter, meinen Schlüssel holen, durch eins der Fenster rein und erst mal losrennen - mit diesem Bein -, um die Alarmanlage auszuschalten. Und dann saß diese einfältige Elfenperson hier neben deinem Bett, und dabei hätte sie mir das alles abnehmen können.«
»Hättest du das Fenster nicht mit Magie öffnen können?«, fragte ich.
»Ich war zu müde«, sagte sie würdevoll. »Ich musste meine magischen Batterien erst wieder aufladen, um es mal so auszudrücken.«
»Aha, um es mal so auszudrücken«, wiederholte ich trocken. »Nun, gestern Abend habe ich erfahren ...« Abrupt hielt ich inne. Ich konnte einfach nicht darüber sprechen.
»Was hast du erfahren?« Amelia wirkte völlig entnervt, und ich konnte es ihr nicht einmal übelnehmen.
»Bill, ihr erster Liebhaber, wurde nach Bon Temps geschickt, um sie zu verführen und ihr Vertrauen zu gewinnen«, sagte Claudine. »Gestern Abend hat er ihr das ins Gesicht gesagt, und zwar in Gegenwart ihres einzigen anderen Liebhabers, ebenfalls ein Vampir.«
Als Zusammenfassung einfach tadellos.
»Oh... Scheiße«, sagte Amelia erschüttert.
»Genau«, erwiderte ich.
»O Mann.«
»Ja.«
»Ich kann ihn leider nicht für dich töten«, sagte Claudine. »Dazu müsste ich zu viele Stufen zurückgehen.«
»Ist schon okay«, erwiderte ich. »Er ist es nicht wert, dass du seinetwegen deine Goldsternchen einbüßt.«
Amelia versuchte, nicht laut loszulachen, und ich sah sie düster an. »Gib einfach Ruhe, du Hexe.«
»Ja, du Telepathin.«
»Also, was jetzt?«, fragte ich ganz allgemein, denn ich wollte nicht länger über mein gebrochenes Herz und mein demoliertes Selbstwertgefühl sprechen.
»Wir versuchen herauszubekommen, was passiert ist«, sagte Amelia.
»Wie denn? Wollen wir bei › Akte X ‹ anrufen?«
Claudine wirkte verwirrt. Elfen schienen wohl nicht fernzusehen.
»Nein«, erwiderte Amelia äußerst geduldig. »Wir machen eine ektoplasmische Rekonstruktion.«
Ich hätte schwören können, dass mein Gesichtsausdruck dem von Claudine jetzt absolut glich.
»Okay, ich erklär's euch.« Amelia grinste übers ganze Gesicht. »Wir machen Folgendes.«
Amelia, die im siebten Himmel schwebte, weil sie endlich ihre wundervollen Hexenkünste vor uns ausbreiten konnte, beschrieb Claudine und mir in aller Ausführlichkeit diese Rekonstruktion. Es sei zeit- und energieraubend, sagte sie, weswegen es nicht allzu oft gemacht werde. Und man brauche mindestens vier Hexen, schätzte sie, um die Komplexität des Bildes von Jakes Ermordung zu erfassen.
»Und ich brauche richtige Hexen«, sagte Amelia. »Echte Profis, nicht solche Wald-und-Wiesen-Wiccas.« Worauf sie sich eine ganze Zeit lang über Wiccas im Allgemeinen ausließ. Sie hielt Wiccas für Bäume umarmende Möchtegern-Hexen und hatte nichts als Verachtung für sie übrig - das konnte ich klar und deutlich in ihren Gedanken lesen. Was ich bedauerte, denn ich hatte bereits eindrucksvolle Wiccas kennen gelernt.
Claudine sah mich zweifelnd an. »Da müssen wir sicher nicht dabei sein, oder?«
»Du kannst gern gehen, Claudine.« Ich war bereit, alles auszuprobieren, was meine Gedanken von dem großen Loch in meinem Herzen ablenkte. »Ich bleibe, um es mir anzusehen. Ich muss wissen, was hier passiert ist. In meinem Leben gibt es im Moment zu viel Rätselhaftes.«
»Aber du musst heute Abend zur Königin«, sagte Claudine. »Du hast gestern schon gefehlt. Und vor die Königin darfst du nur schick angezogen treten. Ich muss noch mit dir einkaufen gehen. Von den Sachen deiner Cousine wirst du nichts tragen wollen.«
»Da könnte ich meinen Hintern gar nicht hineinzwängen.«
»Da willst du deinen Hintern gar nicht hineinzwängen«, sagte sie genauso burschikos wie ich.
Ich sah ihr direkt ins Gesicht und ließ sie all meinen Schmerz sehen.
»Ja, das habe ich schon verstanden«, sagte sie und strich mir sanft über die Wange. »Und so etwas tut wirklich weh. Aber du musst ihn abschreiben. Er ist nur ein Mann unter vielen.«
Er war der erste Mann gewesen. »Meine Großmutter hat ihm Limonade gemacht«, erzählte ich, und irgendwie löste das bei mir wieder Tränen aus.
»Hey«, rief Amelia. »Den Mistkerl soll der Teufel holen.«
Ich sah die junge Hexe an. Sie war
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