Balla Balla
Wem sonst hätte der Transfer sauer aufstoßen können? Plotek dachte angestrengt nach, es fiel ihm aber niemand ein. Und trotzdem war Jo Hillebrand tot. Nicht im Fernsehen – soeben gab er ein genussvolles »Mmh« von sich. Aber im Leben. Einen Unfall hatte der Kommissar ausgeschlossen. Es musste also jemanden geben, der entschieden etwas gegen Jo Hillebrand hatte. Und gegen Ivo Jovanovic. Wenn das kein Zufall war, dann steckte System dahinter. Das behauptete Wenny ja auch, kam es Plotek in den Sinn. Nur was für eines.
»Also, ich halte nichts von solchen Verschwörungstheoretikern«, sagte Arno Brunner mit belegter Stimme, wieder auf dem Bildschirm zurück. Und das hieß so viel wie: Vorsicht, vermintes Terrain. »Und mal ehrlich, wer soll etwas gegen einen so sympathischen, beliebten und gutaussehenden Hoffnungsträger wie Jo Hillebrand gehabt haben?«
So viele Adjektive auf einmal, dachte Plotek und sah die tiefen Stirnfalten bei allen in der Runde, das ahnungslose Schulterzucken beim Dosensuppenhersteller.
»Ich tippe da eher auf einen Bereich außerhalb des Fußballs, vielleicht was Privates, Zwischenmenschliches, Beziehungstechnisches, vielleicht auch ein Psychopath oder so etwas«, legte Arno selbstbewusst nach.
Wieder Stirnfalten und Räuspern.
Meinetwegen, dachte Plotek, aber Mord ist eben kein Toto und Mörder sind keine Tippgemeinschaft. In diesem Moment klingelte das Telefon auf dem Nachttisch von Piotr. Als das Klingeln nicht mehr aufhören wollte, hob Plotek eben ab. Noch ehe er etwas sagen konnte, fing eine weibliche Stimme am anderen Ende schon an zu schimpfen.
»Du Sauhund, du dreckiger, du ...!«
Vielleicht eine Schachgegnerin, die die permanenten Niederlagen nicht ertragen konnte. Und schon fing die Frau am anderen Ende an zu schluchzen und zu weinen und Plotek dachte, vielleicht doch keine Schachgegnerin, sondern eher was Privates, Zwischenmenschliches, Beziehungstechnisches, vielleicht auch ein Psychopath oder aber verwählt. Und er legte einfach auf. Keine fünf Sekunden später klingelte es wieder. Dieses Mal war es aber nicht Piotrs Telefon, sondern das auf Ploteks Nachttischchen.
»Ja?«
»Plotek, bist du’s?«, kam es aus dem Hörer.
»Glaub schon«, sagte Plotek, man weiß ja nie.
Ein Lachen am anderen Ende und Plotek war klar, wer es war. Das war das schönste Lachen, das er kannte. Das war Agnes’ Lachen. Das war Agnes, die jetzt sagte: »Ah, ich merke schon, dir geht es wieder besser, oder?«
»Geht.«
»Siehst du auch gerade den Arno im Fernsehen?«
»Ne«, log er.
»Ein netter Kerl, er hat sich rührend um mich gekümmert, als das mit dir passiert ist.«
Um dich?, dachte Plotek ein wenig verblüfft und dann, kein Wunder, vor dem ist niemand sicher, der auch nur im Entferntesten an eine Frau erinnert.
»Er hat auch versprochen, dass er sich um dich kümmern wird.« Kurze Pause, dann fuhr sie fort: »Hat er dich schon besucht?«
»Ne«, log Plotek wieder.
»Komisch, aber er hat mir gesagt «
»Arno sagt viel«, brummte Plotek »und noch mehr Blödsinn. «
»Was?«
»Nichts.«
Wieder eine Pause, dann Agnes: »Du, ich kann nicht lange sprechen, wollte nur hören, wie es dir geht.«
»Ja.«
»Die Ärzte sagen, in ein paar Tagen bist du wieder auf den Beinen.«
»Hm.«
»Plotek, ich weiß nicht, ob ich es schaffe, am Wochenende zu kommen. Aber vielleicht bist du ja bis dahin schon wieder zurück. Ich vermisse dich.«
»Hm.«
»Also, gute Besserung, gell.«
»Agnes?«, hakte Plotek ein, bevor sie auflegen konnte.
»Ja.«
»Schaust du nach dem Fritz?«
»Klar.«
»Der Schlüssel liegt unter dem Schuhabstreifer.«
»Ich weiß.«
»Plotek?«, hakte Agnes ein, bevor er auflegen konnte.
»Hm?«
»Ich vermisse dich.«
Dann legte sie auf und Plotek wurde warm ums Herz.
»Wenn die Spieler die Möglichkeit haben, warum nicht«, sagte Arno Verständnis heischend. »Bei Bayern zu spielen ist ja auch was anderes als bei der SpVg Altona-Nord.«
Klar ist das was anderes, dachte Plotek, was schwafelt der denn.
»Wir wollen doch nur das Beste. Für die Vereine, für die Spieler, den Fußball.«
Ja, und für dich selbst, dachte Plotek, für dich selbst willst du immer das Allerbeste, stimmt’s? Und wie es aussieht, willst du auch meine Agnes – aber vergiss es. Er stand auf und schaltete den Fernseher aus, auch ohne Fernbedienung, und spürte eine kleine Genugtuung dabei.
Plotek schlüpfte in seine Hausschuhe und ging hinaus auf den Flur, wegen dem Druck auf
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