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Balla Balla

Balla Balla

Titel: Balla Balla Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo Swobodnik
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das?«
    »Es erfährt ja niemand.«
    »Klar, ist ja auch ganz unauffällig«, erwiderte die Schwester und lachte gekünstelt.
    »Komm schon.«
    »Nein, verdammt noch mal«, schimpfte sie. »Piotr, du hast Krebs und keinen Schnupfen. Wie stellst du dir das vor. Eine Nacht lang Halligalli, um dich dann wieder ins Bett zu legen und weiterzusterben?«
    »So ähnlich.« Jetzt lachte Piotr.
    »Du spinnst doch.«
    »Bitte.«
    »Nein.«
    Beim Wort Krebs war Plotek zusammengezuckt. Nichts wie weg, dachte er.
    Und schon lag er wieder im Bett, schloss die Augen und wollte schlafen. Ging natürlich nicht. Der Grund: Krebs. Aber nicht der von Piotr, sondern der, den Plotek sich einbildete. Lungenkrebs, Hodenkrebs, Magenkrebs und alles. Plotek war so in Gedanken versunken, dass er nicht hörte, wie die Zimmertür aufging. Erst als Piotr fragte: »Schlafen Sie?«, wurde er aus seinen todbringenden Gedanken gerissen.
    Er antwortete aber nicht. Piotr öffnete trotzdem eine neue Flasche Wodka und schenkte zwei Gläser voll. Eines davon stellte er auf Ploteks Nachttisch.
    »Na los, trinken wir.«
    Plotek griff nach dem Glas. Sie stießen an.
    »Prost.«
    »Prost«, erwiderte Plotek und entdeckte plötzlich auf dem Etikett der Wodkaflasche eine Pyramide. Ob Piotr vielleicht auch zu den Illuminaten gehörte?

9

    Nach der Visite am Morgen waren die Ärzte der Meinung gewesen, dass Plotek nach dem Mittagessen entlassen werden könnte. Also spielte er bis dahin mit Piotr noch einige Partien Schach, die er allesamt verlor, packte dann seine Habseligkeiten in die Reisetasche und fing auf dem Bett sitzend an nachzudenken.
    »Sie werden abgeholt«, sagte Schwester Sieglinde. Plotek hoffte, dass es Agnes wäre und auf keinen Fall Arno. Als dann kurz nach zwölf die Tür aufging und Maike ins Zimmer trat, war er heilfroh, dass es nicht Arno war.

    »Hallo, ich bin Maike.«
    Plotek konnte nichts sagen. Nur schauen. Mit offenem Mund und großen Augen, damit ihm ja nichts entging. Und das war allerhand. So viel, dass zwei Hände gar nicht reichten, um es zu greifen. Aber erst mal Vorsicht und: Finger weg! Oder um es mit dem Rekordnationaltorhüter Sepp Maier zu sagen: »Wer gewinnen will, darf erst mal nicht verlieren.« Genau.
    Das gibt es manchmal. Da bringt man vor Erstaunen, Ergriffenheit und Faszination keinen Ton heraus. Bei Plotek kam das selten vor. Plotek brachte zwar fast nie etwas heraus, aber das hatte in den seltensten Fällen mit Fassungslosigkeit zu tun. Vielmehr mit Desinteresse, Phlegma, Gleichgültigkeit, Melancholie, Depression und alles. Jetzt nicht. Jetzt war Ploteks Mund ganz trocken und die Worte wollten sich weder formen noch aus dem Mund hinauskatapultieren lassen.
    »Vielleicht wunderst du dich, dass ich dich abhole«, sagte die junge Frau, bei deren bloßen Anblick es Plotek die Sprache verschlug. Das war keine Frau, die da im engen Minirock und luftiger Bluse, mit langen wehenden Haaren und Augen wie ein Piemonter Bergsee vor ihm stand, das war eine Erscheinung, die Fata Morgana eines Hirnareal-Geschädigten. Da ist Hopfen und Malz verloren, hätte Plotek denken können, wenn er noch einen halbwegs richtigen Gedanken zustande gebracht hätte; aber da halfen auch ganze Lastwagenladungen Serotin nichts. Vor so einer Anmut, vor so viel Liebreiz kann man nur noch kapitulieren und, religiös angehaucht, sagen: »Dein Wille geschehe!«. Oder, wiederum religiös ausgedrückt: »Mein Gott, warum hast du mich verlassen!«
    »Wenny kann nicht«, sagte die Erscheinung. »Wenny liegt im Bett und hat mich gebeten, dich abzuholen. Ich bin seine Nichte. Gehen wir.«

    »Wir wohnen zusammen«, erklärte Maike, draußen. »Ich hab’ schon viel von dir gehört. Wenny hat mir von dir erzählt«, fuhr sie fort und hakte sich bei Plotek ein.
    Der weiß doch gar nichts über mich, dachte Plotek, aber egal. Er versuchte, nicht auf die schmalen Fugen des verlegten Linoleumfußbodens zu treten. Was mindestens alle vier Schritte misslang, woraufhin Plotek zusammenzuckte, als würde ihn die gerade hochgehende Streubombe zerbröseln.
    »Du warst wohl früher ein großer Fußballer«, sagte Maike mit einer Stimme, die wie ein hauchdünnes rosafarbenes Neglige daherkam. »Ich interessiere mich nicht so sehr für Fußball«, fügte sie hinzu, »mehr fürs Theater.«
    Jetzt rutschte das Neglige lasziv über die Schulter.
    »Ich auch«, sagte Plotek, während ihm die nackte Schulter die Röte ins aufgeschwemmte Gesicht peitschte. Oder vielmehr, er

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