Balla Balla
kann einfach passieren«, sagte Plotek. Deswegen muss man doch nicht gleich morden, dachte er.
»Stimmt«, erwiderte Piotr. »Man muss nicht, man kann«, fügte er hinzu, als hätte er Ploteks Gedanken gelesen.
»Jo und Ivo waren stark getrunken. Ritschi wollte gar nicht mitfahren, aber sie zwangen ihn. Sie fuhren los, viel zu schnell, lachten und machten Mätzchen und Ritschi bekam es mit der Angst zu tun. ›Mensch, hört doch auf, was soll der Scheiß‹, sagte er noch ›Lasst mich aussteigen! Aber die beiden weigerten sich, fuhren weiter, schneller, noch riskanter und dann an den Baum.«
»Und dafür mussten sie jetzt büßen?«
»Dafür und für die Demütigung.«
»Was für eine Demütigung denn?«
»Sie haben Ritschi nicht nur körperlich zerstört, nein, Jo hat ihm danach auch noch die Freundin weggenommen. Das Wertvollste, was er hatte. Und Ivo hat ihn fallen gelassen wie eine heiße Kartoffel. Das hat er nicht verkraftet.«
Das ist doch Wahnsinn, dachte Plotek und Piotr nickte.
»Es gibt keine Gerechtigkeit, Plotek, aber Rache gibt es. Und die hat etwas Fröhliches, darin liegt Genugtuung.«
»Noch zwei«, sagte Piotr und der junge, schwule Kellner stellte wieder zwei Gläser Wodka auf den Tresen.
»Durch den Tod der beiden wird das Leben von Ritschi wieder erträglich. Und das von Sieglinde auch.«
Warum das von Sieglinde, dachte Plotek und machte eine verdutzte Miene.
»Sieglinde ist, wie Sie ja wissen, die Schwester von Ritschi.«
»Und Sie?«
»Ich bin für beide so was wie der Ziehvater.«
Der hat nicht nur Prostatakrebs im Endstadium, dachte Plotek jetzt, sondern auch eine akute zerebrale Verstimmung oder kurz: Der tickt einfach nicht richtig.
Piotr grinste.
»Das verstehen Sie nicht, was?«, sagte Piotr. »Macht nichts, ich verstehe es manchmal auch nicht.«
Dann machte er wieder eine lange Pause. Beide sahen zur Bühne hinüber, wo sich mittlerweile wieder ein Transsexueller im Ausdruckstanz übte und dabei die Brüste schüttelte, als wäre er ein Apfelbaum, während sein Schwanz dazu Sirtaki tanzte.
»Ich weiß, was Sie jetzt denken«, sagte Piotr in das Schweigen hinein, »Sie denken, Sie müssen das jetzt melden, der Kripo, der Presse oder weiß der Teufel wem, nicht wahr?«
»Hm.«
»Vielleicht Plotek, vielleicht. Aber das ändert auch nichts. Morgen ist auch noch ein Tag, Plotek, und manchmal löst sich alles von selbst.«
Piotr griff in seine Jackentasche und zog eine Schachfigur heraus. Es war die weiße Dame.
»Hier, für Sie.«
»Aber die brauchen Sie doch noch«, sagte Plotek, »sonst können Sie ja nicht mehr spielen.«
»Schach Matt«, sagte Piotr und grinste, während Plotek die Dame einsteckte.
»Gehen wir dort hinüber«, schlug Piotr vor und zeigte auf ein kuscheliges Separee, in dem zwei Sessel und ein Sofa standen und in dem sich zwei leicht bekleidete Damen, oder waren es Herren, genüsslich lümmelten.
»Bring uns zwei Flaschen Champus«, rief Piotr dem Kellner zu, der freundlich lächelte, während seine gepiercten Brustwarzen unter dem durchsichtigen T-Shirt hervorstachen, als wären sie auf der Flucht.
Plotek ließ sich in einen der bequemen Sessel fallen und Piotr setzte sich zwischen die zwei Damen, die ihm liebevoll über das schüttere Haupthaar strichen und dabei vergnügt kicherten. Der Champus kam und alle Gläser wurden gefüllt.
»Prost.«
Irgendwann wurde Plotek dann ziemlich müde. Die Augen fielen ihm zu und sein Kopf rutschte auf die Lehne des Sessels. Immer wieder schreckte er hoch, hörte die beiden Damen kichern und sah, wie Piotr sich, in Fleischbergen versunken, streicheln ließ. Piotrs Brandmal auf der Stirn leuchtete wie eine violette Fünf.
Irgendwann konnte Plotek nicht mehr einschlafen. Der Druck auf die Blase war zu groß. Er ging auf die Toilette, und als er zurückkam, war alles ganz anders. Zuvor sollte allerdings noch ein Schuss fallen.
Als er gerade am Waschbecken stand und sein erbärmliches, von Alkohol und Schlafmangel malträtiertes Gesicht im Spiegel sah und die Lippenstiftabdrücke von Rosella wegwischen wollte, hörte er einen lauten Knall. Sofort ging er zurück in das Separee. Blutüberströmt lag Piotr auf der Couch, den Revolver noch im Mund. Die Damen quiekten wie Ferkel und rannten aufgeregt umher, die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen. Der schwule Kellner weinte und Rosella rief seltsam abgeklärt und unaufgeregt die Polizei.
Da war Plotek aber schon verschwunden.
Auf dem Weg aus dem Bella
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