Balla Balla
Nachladen.
»Und, bist du jetzt glücklich?«, fragte Piotr.
»Glücklich, Mensch, Piotr, wer ist schon glücklich«, kreischte Rosella. »Zufrieden bin ich, ja, das reicht – und du?«
Sie legte ihren Arm um Plotek.
»Hm«, machte Plotek und Piotr schloss sich an und beide sahen einander an und grinsten.
»Männer!«, zischte Rosella und sprang auf. »Ich muss wieder, man sieht sich.«
»Klar!«, sagte Plotek.
»Mal sehen«, meinte Piotr.
Als Rosella verschwunden war, zog Piotr einen schwarzen, seidenen Damenstrumpf aus der Hosentasche und legte ihn kommentarlos auf den Tisch. Lange sah Plotek ihn an, überlegte. »Was ist das?«, fragte er schließlich.
War natürlich ’ne blöde Frage. Piotr ließ sich Zeit mit seiner Antwort. »Erstens ein Damenstrumpf.« Und nach einer Weile fügte er hinzu: »Und zweitens ein Mordinstrument.«
Dann schwiegen beide wieder und starrten auf den seidenen Damenstrumpf. Jeder andere hätte jetzt sicher gefragt, was für ein Mordinstrument. Aber vergiss es. Plotek war anders und außerdem wusste er bereits Bescheid, obwohl er es natürlich gar nicht glauben wollte. Jetzt hätte er wieder sortieren können. Es gab zwar keine Schachfiguren, dafür unzählige leere Gläser, Zigarettenschachteln, Streichhölzer und alles. Aber plötzlich verspürte Plotek überhaupt keinen Impuls mehr für irgendeine Zwangshandlung.
Geheilt, dachte er, Hirnareale wieder okay, Botenstoffe intakt. Bei diesem Gedanken musste er sogar ein wenig schmunzeln. Und auch Piotr grinste jetzt.
»Damit habe ich dem Superstürmer die Luft abgedreht«, sagte er und Plotek dachte, während ich von Valium außer Gefecht gesetzt war.
»Einer ganzen Menge Valium«, grinste Piotr, »damit Sie auch ja nicht aufwachen.«
»Und warum?«, fragte Plotek unbeeindruckt.
»Aus Liebe!«
So ist er, der Piotr, dachte Plotek. Die meisten morden aus Hass, Piotr dagegen aus Liebe.
»Aus Liebe zu Sieglinde.«
»Sie und Sieglinde?«
»Ja. Aber nicht, wie Sie vielleicht denken.«
Was denke ich denn, dachte Plotek und begriff nicht, wo da der Zusammenhang war. Er ließ den Damenstrumpf durch seine Hand gleiten. Ein angenehmes Gefühl war das, als der weiche Strumpf seine Finger umschmeichelte.
Jetzt musste er wieder an Agnes denken, dann an Sieglinde und zum ersten Mal fiel ihm auf, dass sich die beiden irgendwie ähnelten.
»Ritschi!«, sagte Piotr so unvermittelt, dass Plotek ein wenig erschrak.
»Wer ist Ritschi?« Plotek gab sich unwissend.
»Der Halbbruder von Sieglinde«, sagte Piotr. »Aber so, wie ich Sie kenne, wissen Sie das bestimmt schon, was?«
Nicken von Plotek.
»Und außerdem war Ritschi eines der hoffnungsvollsten Fußballtalente in Deutschland. Bis zum fünften Juni letzten Jahres.«
Wieder entstand eine lange Pause, in der sich Plotek natürlich fragte, was am fünften Juni vor einem Jahr passiert war. Bereitwillig begann Piotr zu erzählen.
»Der fünfte Juni war ein Samstag. Ritschi, Jo Hillebrand und Ivo Jovanovic waren in Pinneberg. In einer Disco. Bis halb drei haben sie gefeiert, ihren Sieg, ihre gute Laune, ihre Freundschaft. Unzertrennlich waren die drei. Obwohl es auch hin und wieder gekracht hat. In letzter Zeit immer häufiger. Der Grund war aber gar nicht die sportliche Konkurrenz, sondern vielmehr die Mädchen. Da gab es, je älter die drei wurden, immer mehr Eifersüchteleien, Neid und dergleichen. Um halb drei in der Nacht fuhren sie mit dem Wagen von Jo nach Hause. Na ja, sie wollten nach Hause fahren. Sind da aber nicht angekommen. Kurz nach der Ortsausfahrt landete der Golf nämlich an einem Baum. Jo und Ivo ist kaum etwas passiert, ein paar Kratzer, ein verstauchtes Bein, eine leichte Gehirnerschütterung, mehr nicht.«
»Und Ritschi?«
»Ritschi war am Arsch. Er saß als Einziger auf dem Rücksitz, das war sein Pech.«
»Rollstuhl«, sagte Plotek. Die Bilder von Ritschi im Rollstuhl bei der Beerdigung kamen ihm in den Sinn.
»Ja, und doch viel schlimmer. Querschnittsgelähmt vom
Halswirbel abwärts. Von da an konnte er sich nicht mehr bewegen.«
Scheiße, dachte Plotek. »Scheiße«, sagte Piotr. »Seither ist alles kaputt, die Karriere, das Leben, der Fußball, alles. Seither ist Ritschi ein anderer oder besser gesagt keiner mehr. Er ist mittlerweile in einer Nervenheilanstalt und hat abgeschlossen mit sich und seinem Leben.«
Wieder entstand eine lange Pause, in der Piotr erneut am Wodka nippte.
»Und Jo und Ivo sind dafür verantwortlich.«
»Aber so ein Unfall
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