Ballade der Leidenschaft
Womöglich wird er dich ablehnen.“ Behutsam legte er seine Lautentasche auf einen Heuballen. Die Decke war so niedrig, dass er den Kopf einziehen musste, um nicht gegen einen Balken zu stoßen.
Alis riss ihre blauen Augen auf. „Ablehnen? Sir Edouart? Mich? Ganz bestimmt nicht, Benedict. Wenn ich hier alles erledigt habe, wird meine beträchtliche Mitgift solche Skrupel überwinden. Und der Herzog sagte …“
„Glaub mir, der Herzog hatte kein Recht, einer Frau diesen Auftrag zu erteilen.“
Alis warf ihren Kopf in den Nacken, wobei ihr Schleier verrutschte und einen honigblonden Zopf enthüllte. „Also findest du, eine Frau wäre unfähig …“
„Nein, um Himmels willen, bestimmt nicht. Ich frage mich nur, ob dir die Gefahr bewusst ist.“
„Natürlich kenne ich das Wagnis.“ Ihre Stimme nahm einen harten Klang an. „Sogar besser als du, wie ich vermute. Mein Vater …“
„Dein Vater ist ein Narr, aber mit einer wundervollen Tochter gesegnet. Sei versichert, wäre ich in der Lage deines Vaters …“
„… würdest du also im Verlies des Herzogs schmachten …“
„Dann würde ich meiner Tochter nicht erlauben, ihr Leben aufs Spiel zu setzen. Bedenke doch, was meinem eigenen Vater zustieß! Albin hatte auf diesem Gebiet jahrelange Erfahrung. Und er war dreimal so stark wie du.“
Alis legte ihren Kopf schief, und ein Sonnenstrahl ließ eine Haarsträhne wie Gold erstrahlen. „Oh, wie edel! Also meinst du, Frauen müssten mit Samthandschuhen angefasst und beschützt werden?“ Sie musterte Bens Gesicht, als würde sie es zum ersten Mal sehen.
„Allerdings“, bestätigte er. Vor seinem geistigen Auge erschien die schöne Rozenn. Diese Frau hatte er früher beschützen und verwöhnen wollen. Aber seither waren viele Jahre verstrichen. Außerdem hatte sie nie auch nur die geringste Neigung gezeigt, sich beschützen und verwöhnen zu lassen. Zumindest nicht von ihm. Stattdessen hat sie Per erwählt …
Entschlossen bemühte er sich um eine ausdruckslose Miene und verbannte Rose aus seinen Gedanken. Als Sondergesandter des Herzogs erfüllte er schwierige, gefährliche Missionen. Darüber durften nur wenige Leute Bescheid wissen. In dieser heiklen Position konnte er niemanden schützen oder verwöhnen, geschweige denn sich mit einer Ehefrau belasten. Nicht dass er es anstreben würde. Zum Glück waren solche Wunschträume ihm vergangen.
Während Alis ihn beobachtete, umspielte ein schwaches Lächeln ihre Lippen. „Dein Leumund straft dich Lügen, Benedict. Um für eine Frau zu sorgen, bist du zu flatterhaft – ein berüchtigter Schürzenjäger.“
Ben zuckte die Achseln und zwang sich, seine Aufmerksamkeit wieder auf das Problem zu lenken, das er besprechen wollte. Die halbe Nacht hatte er wach gelegen, von leidenschaftlichen Gefühlen und heißer Sehnsucht nach Rose um den Schlaf gebracht. Keinesfalls durfte sie seine Arbeit für Herzog Hoël behindern, und deshalb würde er sich solche Dummheiten nicht erlauben. „Also hast du in all den Monaten, die du dich in Quimperlé aufhältst, nichts herausgefunden, Alis?“
„Um Vertrauen zu erwerben, braucht man Zeit, was du zweifellos weißt. Doch ich glaube, nun ist es mir gelungen. Letzte Woche forderte die Gräfin mich auf, sie zur Messe in die Abtei zu begleiten. Und heute Morgen wieder.“
Ben runzelte die Stirn. „Gewiss gehen alle Damen mit ihr in die Kirche?“
„Ja …“ Aufgeregt hob Alis ihre Stimme, und er legte warnend einen Finger an die Lippen. In ruhigerem Ton fuhr sie fort: „Du verstehst nicht, Benedict. Wir alle bilden Comtesse Muriels Eskorte. Aber nur eine Dame geleitet sie zum Beichtstuhl. Diese Aufgabe übernimmt normalerweise Ivona, die châtelaine – schon seit Jahren.“
Ben nickte. Rozenns Pflegemutter kannte er gut. Nachdenklich musterte er Staubkörnchen, die durch einen Sonnenstrahl tanzten. „Ja, sehr gut. Der nächste Schritt …“
„Ich weiß, was zu tun ist, Benedict. Ich werde Augen und Ohren offenhalten. Richte dem Herzog aus, sobald ich auch nur das leiseste Flüstern darüber höre, dass Comte Remonds beabsichtigt, ein Bündnis mit den Normannen zu schließen, werde ich Euch Bescheid geben. Allzu lange wird es wohl nicht mehr dauern, denn inzwischen genieße ich das Vertrauen des Grafen und seiner Gemahlin. Übrigens, letzte Woche sprengten zwei fremde Ritter in den Burghof und behaupteten, sie seien auf der Straße zur Stadt von Wegelagerern angegriffen worden.“
Ben versteifte sich.
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