Ballade der Leidenschaft
sie freute sich fast, die beiden gestört zu haben …
Plötzlich leuchteten seine Augen auf, und er grinste. „Wolltest du etwas von mir, Rozenn?“ Seine Stimme klang leise und anzüglich.
Zum Henker mit dem Kerl! Warum gab er stets solche Anzüglichkeiten von sich? Aber das spielte keine Rolle, denn sie war vernünftig genug, sich kein bisschen für einen Taugenichts wie Benedict zu interessieren. Wenigstens nicht auf diese Weise.
Er hauchte einen Kuss auf die Wange seiner Gefährtin. Dann rutschte er von ihr weg und klopfte einladend auf das Heu an seiner Seite. „Komm her, Rozenn. Das willst du doch …“
Entrüstet über diese Frechheit trat sie auf ihn zu und hob eine Faust, um ihn zu schlagen. Da sprang er geschmeidig auf, packte ihre Hand und zog sie noch etwas weiter vom Rand des Bretterbodens weg.
„Vorsicht, kleine Blume, sonst stolperst du über dein hübsches Kleid!“
Galant wie ein edler Ritter, möge der Teufel ihn holen … Während er sie freundlich musterte, umschloss er ihre Finger so fest, dass sie sich nicht befreien konnte, ohne eine Szene zu machen.
Noch immer saß Alis im Heu und ordnete gleichmütig ihre Kleidung. Dafür nahm sie sich viel Zeit. Zufrieden lächelte sie, ihre Wangen schimmerten rosig, und sie sah aus wie … Rozenn suchte nach einem passenden Wort. Wie eine Frau, die geliebt wurde? Nein, sicher nicht. Geliebt? Von Benedict, einem fahrenden Sänger, der seine erotischen Abenteuer in allen Städten und Schlössern des Herzogtums genoss?
Der Erreger ihres Zorns stieß Alis behutsam mit einer Stiefelspitze an. „Bis später, chérie .“ Gnadenlos hielt er Rozenns Hand fest und schwenkte sie hin und her.
„Hm?“ Alis hob den Kopf und ließ ihre blauen Augen von Ben zu Rozenn und wieder zurück schweifen. „Oh, du willst mit Rozenn sprechen?“ Diese Person besaß tatsächlich die Dreistigkeit, erstaunt die Stirn zu runzeln. Aber sie stand auf, glättete gemächlich ihre Röcke und ging zur Leiter.
Rozenn klopfte mit einer Fußspitze auf den Boden … Ungeduldig wartete sie, bis die junge Dame hinabgestiegen und die Stalltür laustark hinter ihr ins Schloss gefallen war. Es wurde noch dunkler im Stall.
Nun lockerte Ben seinen Griff um Rozenns Hand und zog sie an seine Lippen. „Heute Morgen habe ich dich vermisst, ma belle .“
Erbost entriss sie ihm ihre Finger, die er sofort wieder umklammerte.
„Du wolltest etwas von mir?“, fragte er grinsend.
„Ja, das heißt – nein! Nur mit dir reden wollte ich …“ Als sie unverhohlene Belustigung in seinen Augen funkeln sah, stöhnte sie: „Oh, Ben, elender Schurke, du bist unverbesserlich!“
Obwohl er immer noch lächelte, nahm sein forschender Blick einen ernsten Ausdruck an. „Geht es dir gut? Stimmt etwas nicht?“
„Mit mir ist alles in Ordnung. Comtesse Muriel befahl mir, dich zu suchen, weil du im Sonnengemach für uns Laute spielen sollst. Sofort. Dafür bekommst du deinen üblichen Lohn, hat sie gesagt.“
Rozenn stand mit dem Rücken zum Südfenster. In diesem Teil des Sonnengemachs, wo das hellste Licht herrschte, saßen die Comtesse und ihre Damen um den Tisch herum, plauderten leise und bestickten den riesigen Wandbehang für die Burghalle. Einige der Figuren, die Rose auf dem Leinen skizziert hatte, wiesen Schmutzspuren auf, weil der Teppich am Vorabend von achtlosen Händen zusammengerollt worden war.
Vorhin hatte Rozenn die Linien nachgezeichnet und ihre Finger mit Holzkohle geschwärzt. Geistesabwesend wischte sie die Hände an ihrem Rock ab. Dabei sah sie Lady Alis nicht an. Doch sie sah aus den Augenwinkeln, wie Ben einen Stuhl zu einer Seite des großen Herds rückte. Dann setzte er sich und stimmte seine Laute.
Das Instrument, im maurischen Stil hergestellt, hatte seinem Vater gehört. Der runde Körper glich einem Schildkrötenpanzer. Auf dem Holz schimmerte eine dunkle Patina, und es glänzte von der jahrelangen liebevollen Pflege. Der Wirbelkasten war wie ein Leopardenkopf gestaltet. Rozenn beobachtete, wie Ben ihn immer wieder mit seinen langen, schmalen Fingern streichelte, während er an jeder Saite zupfte und die Wirbel justierte.
Als er Rozenns Blick auffing, lächelte er ihr zu. Doch sie konnte ihren Ärger über ihn nicht so rasch vergessen, zeigte ihm die kalte Schulter und starrte aus dem Fenster. Die Augen vor dem grellen Sonnenlicht zusammengekniffen, konnte sie den Sumpf am linken Ufer ausmachen. Und am rechten Ufer, direkt hinter dem Hafen, stieg die Böschung
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