Ballade der Leidenschaft
zusammen.
„Oh – doch, natürlich. Pardon , Comtesse.“
„Ach ja? Wisst Ihr, wo er zu finden ist?“
„Wer, Comtesse?“
Ärgerlich schnalzte die Gräfin mit der Zunge. „Also wirklich, Rozenn! Ich rede über diesen Lautenspieler, Benedict. Gestern Abend wurde er gesehen, hat mir mein Gemahl erzählt. Wie ich mich entsinne, kennst du ihn. Weißt du, wo er stecken könnte?“
Rozenns Wangen erhitzten sich. Wenn Comtesse Muriel und ihre Damen erfahren würden, dass sie Benedict derzeit unter ihrem Dach beherbergte – dieser Gedanke war zumindest beunruhigend. Wegen seines Leumunds würden sie niemals an eine unschuldige Freundschaft glauben. Da sie Quimperlé bald verlassen wollte, brauchte sie eigentlich nicht zu bekümmern, was die Leute von ihr hielten. Trotzdem …
„B…Benedict?“
„Um Himmels willen, Mädchen, wach auf! Wen ich meine, weißt du ganz genau. Immerhin ist dieser Mann der beste Lautenspieler im ganzen Herzogtum. Er war mit deinem Bruder befreundet. Daran erinnere ich mich. Wo pflegt er unterzukommen? Heute Morgen soll er uns unterhalten, während wir nähen.“
„Ich … ich weiß, wo er sein könnte, Comtesse.“
„Gut. Holt ihn. Erklärt ihm, er bekommt seinen üblichen Lohn. Oder Kost und Logis, wenn ihm das lieber ist.“ Eine gebieterische Geste scheuchte Rozenn zur Tür.
„Sehr wohl, Comtesse. Mal sehen, ob ich ihn aufspüre.“
Als Rozenn ihr Haus in Hauteville erreichte, war die Tür verschlossen. Offenbar hatte Ben das Haus bereits verlassen.
Sie sperrte die Tür mit dem Schlüssel auf, den sie an einer Kette um ihre Taille befestigt hatte, und trat klopfenden Herzens ein. Wie lange Ben in Quimperlé bleiben wollte, hatte er nicht erwähnt. War er nur für eine einzige Nacht zurückgekehrt? Oh nein, wo sie doch so viel besprechen mussten … Und er hatte gesagt, sie würden heute reden.
„Ben? Ben?“
Eine große Fliege schwirrte in der Werkstatt herum. Ansonsten herrschte Stille. In der Stube war der Brotlaib aufgeschnitten, ein Apfel verschwunden, der Ziegenkäse mit einem Tuch bedeckt. Sie zog es beiseite und lächelte. Die Hälfte des Käses hatte er für sie übrig gelassen.
Auf der Pritsche lag ein Teil seines Gepäcks, die Laute hatte er mitgenommen.
Rozenn seufzte. Wohin mochte er gegangen sein? Vielleicht besuchte er alte Freunde im „Weißen Vogel“. Oder er saß in einer Hafentaverne. Er könnte auch auf dem Marktplatz singen. Eventuell beobachtete er die Falken in den Stallungen. Schon immer hatten ihn die Schnelligkeit, die Kraft und das wilde Temperament dieser Vögel fasziniert.
Schließlich entschied Rozenn, über den Marktplatz und das Wachhaus zu Comtesse Muriel zurückzukehren, und schloss ihre Haustür hinter sich zu. Benedict glich manchmal einem Phantom; es war durchaus möglich, dass sie ihn nirgendwo entdeckte. Dann mussten sich die Gräfin und ihre Damen eben selber unterhalten.
3. KAPITEL
B en kletterte in den Stallungen der Burg zum Heuboden hinauf, um Lady Alis zu treffen. Er trug seine zweitbeste Tunika aus grünem Leinen, mit Silberborten am Hals, an den Manschetten und am Saum. Denn er wollte präsentabel wirken, wenn er gegen Mittag um eine Stellung in Comte Remonds Festung bat. An seiner Schulter hing die Tasche mit der Laute.
Lady Alis war die jüngste und wohl auch hübscheste Dame in Comtesse Muriels Gefolge. Erst vor ein paar Monaten war die blonde Schönheit an der Burg eingetroffen, und alle Mitglieder des Haushalts hatten den Eindruck gewonnen, sie stamme aus Paris. Ihr vergleichsweise hoher Rang zeigte sich in der besonders intensiven rosa Färbung ihres Kleids, den glänzenden, in ihrem Gürtel verwobenen Seidenfäden, den Silbernadeln, die ihren Schleier festhielten. Nach Bens Ansicht passten ihre unpraktischen weißen Pantoffeln gewiss nicht in einen Stall, wenn er auch verstand, wie wichtig es war, sich seinem Status entsprechend zu kleiden.
Durch die Ritzen zwischen den Dachschindeln drangen Sonnenstrahlen herein, die warme Luft roch nach Heu und Pferden. Draußen im Burghof exerzierten die Soldaten des Grafen unter dem Kommando des Feldwebels, dessen gellende Befehle bis in den Stall drangen.
„Großer Gott, Alis“, murmelte Ben und musterte die Heuhaufen am Bretterboden, „wenn du unseren nächsten Treffpunkt wählst, musst du vorsichtiger sein. Sollte man uns beobachten, wird Sir Edouart dich nicht für die keusche Verlobte halten, als die du dich ausgibst, und ich kann kaum für deine Ehre bürgen.
Weitere Kostenlose Bücher