Ballade der Leidenschaft
sie an andere Arme. Nur nach Sir Richard of Asculfs Umarmung sehnte sie sich. Und dann … Zu ihrer Bestürzung erinnerte sie sich nicht an Sir Richards Augenfarbe. Braun? Blau? Nein, braun. Oder grau? Oh Gott. Ein Ritter, er ist ein Ritter, sagte sie sich und versuchte, dem verstörenden Klang von Benedicts Stimme zu entrinnen.
Lady Josefa – Rozenn biss die Zähne zusammen – gab nicht einmal mehr vor zu sticken. Untätig lagen ihre Hände auf dem Leinentuch, und sie starrte Ben an, als wäre er die einzige Hoffnung auf ihr Seelenheil.
Rozenn zog die Schultern hoch – also wirklich, Josefas Verhalten war zu peinlich – und wagte einen Blick in Bens Richtung. Welch ein Pech, zufällig schaute er sie gerade an. Er hielt nicht in seiner Erzählung inne, aber seine Stimme nahm einen weicheren Klang an, sobald sich ihre Blicke trafen, und sie fühlte eine sonderbare Hitze in ihrem Bauch. Zur Hölle mit ihm! Sie nahm einen tiefen Atemzug und konzentrierte sich wieder ganz auf die Stickarbeit.
Während Ben von Tristans und Isoldes Schicksal berichtete, beschwor Rozenn wieder das Bild Sir Richards herauf. Das letzte Mal hatte sie ihn gesehen, als er an der Seite ihres Bruders aus Quimperlé geritten war. Zwei Ritter, ein Normanne von edler Geburt, der andere eben erst zum Ritter geschlagen, ohne Ländereien, die zu seinem Namen gehörten … Wie freundlich von Sir Richard, mir das goldene Kreuz zu schenken, dachte sie und zwang sich, Bens verlockende Stimme zu überhören. Und Adam, einen aufstrebenden Niemand, hatte der Ritter mit seiner Freundschaft beehrt. Nur wenige von seinem Stand würden sich mit dem Sohn eines Stallmeisters abgeben.
Mühsam bezähmte sie den Impuls, herauszufinden, ob Ben das alberne Lächeln erwiderte, das Lady Josefa ihm gerade schenkte.
Wo war sie mit ihren Gedanken eben gewesen? Ach ja, Sir Richard hatte Adam so freundlich gefördert und ihm zum Ritterschlag verholfen. Ja, ganz zweifellos hatte sie einen grundgütigen und achtbaren Bräutigam gewählt.
Als Adam und Richard of Asculf davongeritten und Herzog Williams Ruf zu den Waffen gefolgt waren, hatten sie so gut ausgesehen. So stolz war sie auf ihren Bruder gewesen. Natürlich auch auf Sir Richard. Aber seine Augenfarbe? Rozenn runzelte die Stirn. Sicher braun, nicht wahr? Wie Bens Augen?
Rastlos rutschte sie auf dem Schemel hin und her, sodass dessen Beine wieder über den Boden scharrten, was ihr einen bösen Blick von Comtesse Muriel einbrachte.
Sir Richard war größer als Ben und viel breitschultriger. Große Hände hatte er, das war ihr an dem Tag aufgefallen, wo er Ben zu einem Wettstreit im Lautenspiel herausgefordert hatte. Starke Finger, voller Narben, die von zahlreichen Schlachten zeugten. Damit hatte er keine Chance gehabt, Ben im Lautenspiel zu besiegen, überlegte sie lächelnd. Trotzdem hatte er sich erstaunlich gut geschlagen.
Seufzend blickte sie vor sich hin. Ben war … Nein – Sir Richard. An Sir Richard dachte sie. Nicht an Ben. Der Ritter war groß, sehr anziehend mit seinem braunen Haar und dem kraftvollen Körperbau, ein richtiger Mann.
Durch gesenkte Wimpern warf sie einen Seitenblick auf Ben und spürte wieder dieses verfluchte Kribbeln im Bauch. Nicht so groß wie Sir Richard, aber – das musste sie zugeben – perfekt proportioniert. Starke Schultern, eine schmale Taille, die er stets mit einem breiten Gürtel betonte. Oh ja, er wusste sich wirklich vorteilhaft zu präsentieren. Die grüne Tunika hatte genau die Farbe der winzigen Flecken in seinen Augen.
Reglos verharrte die Nadel über der Näharbeit. Rozenn nahm kaum war, dass sie schon lange keine Stiche mehr gemacht hatte. Aber Ben schien es zu bemerken, begegnete ihrem Blick und hob die dunklen Brauen. Hastig beugte sie sich über das Leinen und beachtete das irritierende Prickeln nicht, das nur er hervorzurufen vermochte. Nicht einmal ihr Kavalier Sir Richard übte diese Wirkung auf sie aus. Dem Himmel sei Dank. Denn es war wirklich zu unangenehm.
Natürlich würde sie, Rozenn, den Ritter heiraten. Dazu war sie fest entschlossen. Eine Lady würde sie sein und eines Tages in ihrem eigenen Sonnengemach sitzen. Zusammen mit anderen Frauen wollte sie Wandbehänge besticken, die ihre Halle schmücken sollten. Vielleicht würde sie ebenso wie Comtesse Muriel einen Lautenspieler dingen – vielleicht sogar Benedict, wenn er Glück hatte. Und dann würde er die Damen während ihrer Handarbeit unterhalten.
4. KAPITEL
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