Ballade der Leidenschaft
zu seinem Beruf gehörte. Rozenn hoffte inständig, dass sich ihre Freundin nicht in ihn verliebte.
Mikaela strahlte über das ganze Gesicht. „Ja, wir werden bezeugen, dass Benedict den Steg berührt. Nicht wahr, Rozenn?“
„Also gut …“
Ben presste eine Hand auf sein Herz. „Meinen innigsten Dank, mesdames . Falls ihr beide auch wetten möchtet …“
„Ganz sicher nicht“, fauchte Rozenn. „Wir können es uns nicht leisten, unser sauer verdientes Geld zu verschleudern.“
„Da braucht ihr nichts zu befürchten“, entgegnete er zuversichtlich. „Noch bevor Jerome bei St Michael ankommt, geschweige denn zurückkehrt, bin ich zum Steg und wieder hierher geschwommen. Und da wir gerade von Zeugen reden – wie kann ich mich darauf verlassen, dass er tatsächlich den ganzen Weg hinaufläuft und mich nicht betrügt? Gewiss ist es nur recht und billig, wenn ich ebenfalls einen Zeugen verlange.“
Einer der Wächter trat vor. „Diese Aufgabe übernehme ich.“
„Sehr gut.“
Kühn trat Mikaela auf Ben zu und ergriff seine Hand. „Für meine Mühe verlange ich aber einen Kuss.“
Denez brach in schallendes Gelächter aus, Rozenn verdrehte die Augen, und Ben grinste Mikaela an. „Oh, es wird mir ein Vergnügen sein, chérie .“
„Wann fängt der Wettkampf an?“
„Sobald die Damen den Steg erreichen.“
Voller Feuereifer packte Mikaela Rozenn am Arm. „Dann wollen wir sofort aufbrechen.“
Ben nickte. „Besten Dank. Von hier aus müssten wir euch auf dem Steg stehen sehen. Winkt uns mit euren Schleiern, wenn ihr da seid. Das wird unser Zeichen zum Beginn des Wettstreits sein. Bist du damit einverstanden, Jerome?“
„Ja, das ist mir recht.“
Mikaela zog Rozenn zum Burghof zurück, denn von dort führte ein Weg an Sainte-Croix vorbei über die Ostbrücke. So erreichte man den Steg schneller als über die Pont du Port.
Bevor sie im Hof ankamen, sah Mikaela über ihre Schulter zurück und lachte Ben an. „Ein Kuss – vergiss es nicht!“
Herzlich lächelte er ihr zu und rief: „Wie könnte ich, chérie ?“
Rozenn sagte nichts. Gar nichts. Doch sie fragte sich, ob Ben jemals ernsthaft war. Aus Gründen, die sie selbst nicht benennen konnte, störte sie dieser Gedanke.
Ein paar Minuten später betraten die zwei jungen Frauen den Anlegesteg, die Sonne im Rücken, und schauten zur Isle du Château. Die Röcke gerafft, waren sie über den Holzweg geeilt, der durch den Sumpf führte. Einige Planken moderten bereits, und der Pfad schwankte unter ihren Schritten, aber Rozenn und Mikaela gelangten trockenen Fußes ans Ziel. Nur die Rocksäume waren etwas feucht geworden.
Auf dem Steg wehte eine frische Brise, die das Schilf rascheln ließ und an ihren Schleiern zerrte.
„Schau doch!“ Mikaela streckte einen Zeigefinger aus und kniff die Augen zusammen.
Schon vor Jahren hatte Rozenn festgestellt, dass die Augen ihrer Freundin nicht die besten waren; in der Ferne sah sie schlecht.
„Da sind sie, auf der Brücke“, fügte Mikaela hinzu und blinzelte immer noch. „Bens grüne Tunika ist deutlich zu erkennen.“
„Ja, das ist Ben.“ Die Wachtposten und sein Herausforderer Jerome umringten ihn.
„Was geschieht denn jetzt, Rozenn?“ Aufgeregt spähte Mikaela zur Burg hinüber.
„Jerome hat sich Richtung Stadt umgedreht. Und Ben … Ah, er klettert auf das Brückengeländer und – oh nein!“ Rozenn verstummte, als er sich dramatisch verbeugte.
„Was macht er denn?“
„Wie üblich setzt er sich in Szene“, seufzte Rozenn.
Forschend schaute Mikaela sie an. „Du klingst, als würdest du dich darüber ärgern.“
„Ärgern? Nein, ich wünschte nur, er wäre nicht so – so …“
„Närrisch?“ Mikaela lächelte. „Damit verdient er sein tägliches Brot – indem er sein Publikum unterhält.“
Aus einem Impuls heraus wollte Rozenn widersprechen, aber sie presste die Lippen zusammen. Natürlich hatte Mikaela recht, Ben amüsierte die Leute, und deshalb liebten sie ihn. Nicht nur die Frauen, dachte sie und erinnerte sich an die erwartungsvoll heiteren Mienen der Wachtposten, die normalerweise nur wenig zu lachen hatten.
Graf Remonds Soldaten erfreuten sich keiner langen Lebenserwartung. Hauptmann Denez, einer der Dienstältesten, war erst dreißig, sah jedoch bereits wie ein Vierzigjähriger aus. Bestenfalls fristeten diese Männer ein hartes Dasein, schlimmstenfalls ein grausames. Wenn Ben ein bisschen Freude in ihr Leben brachte, tat er gut daran.
Am anderen
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