Ballade der Leidenschaft
Lippen bot, drangen mahnende Stimmen von der Brücke herüber und erinnerten ihn an die Wette. Mehrere Wachtposten hatten auf seinen Sieg gesetzt, und so musste er zurückschwimmen …
„He, Spielmann!“
„Beweg dich!“
Um seine Bewunderer zu erfreuen, riss er Mikaela dramatisch in seine Arme – in seine nassen Arme, dachte Rozenn gehässig – und drückte ihr einen schmatzenden Kuss auf den Mund. An einer seiner breiten Schultern klebte eine Wasserpflanze wie ein feuchter Wollstrang.
Hastig wandte Rozenn sich ab, einen schmerzhaften Stich im Herzen, und starrte das dunkle Wasser an, das am Steg vorbeiströmte. Wie ihr ein lautes Jubelgeschrei auf dem Pont du Port verriet, wusste Bens Publikum die Darbietung zu schätzen. Sie hingegen war alles andere als begeistert! Voller Zorn rang sie nach Luft. Und Mikaela? Die sollte es wirklich besser wissen …
Nun blickte er zu ihr herüber, nachdem er ihre Freundin losgelassen hatte. Mikaelas Kleid war von den Brüsten bis zu den Knien durchnässt – nicht dass Rozenn hinschauen würde.
„Rose?“, sagte Ben leise und streckte seine Hand aus. „Komm her, du bist dran.“
Schwankend wich sie einen Schritt zurück. Und plötzlich – ehe sie wusste, wie ihr geschah – stand Ben dicht vor ihr auf dem wackeligen Steg, so dicht, dass sie die grünen und grauen Flecken in seinen Augen zwischen den langen Wimpern sah. Ihre Hände berührten seine Schultern, seine umfassten ihre Taille. Wie war es denn dazu gekommen?
Ihr Mund wurde trocken. „Oh nein.“
Den Kopf schief gelegt, betrachtete er ihre Lippen. „Nein?“
„Du – du hast deinen Kuss schon gekriegt. Von Mikaela.“
Anfeuernde Rufe klangen von den Männern auf der Brücke zu ihnen herüber.
Bens Hände auf ihrer Taille fühlte sich vom Wasser kalt an, als er sie fester umfing. Seine Augen wirkten dunkel wie die Nacht, und …
Entdeckte Rozenn tatsächlich eine gewisse Unsicherheit in seinem Lächeln, eine ungewohnte Verletzlichkeit? Unmöglich, das war Benedict, der erfolgreiche Sänger und Lautenspieler, den nie im Leben sein Selbstbewusstsein im Stich ließ.
„Warum sollte ich mich mit einem Kuss begnügen, wenn ich zwei genießen kann?“ Die Worte klangen leise und vertraulich, nur für Rozenns Ohren bestimmt. „Für einen Kuss von dir würde ich bis nach England schwimmen.“
Nein – sie musste sich verhört haben. So etwas würde er niemals sagen, nicht in diesem ernsten Ton. Offenbar zog er sie auf. Und dann schwenkte er sie herum, sodass sie der Burg und dem Publikum auf der Brücke den Rücken zuwandte. Langsam senkte er seinen Mund auf ihren herab, und sie wehrte sich nicht, obwohl ihr Herz so heftig hämmerte, als wäre sie von der Insel zum Sumpf geschwommen und nicht Ben …
So federleicht wie Distelwolle begann der Kuss, so unglaublich zart – sie spürte ihn kaum.
Das sollten wir nicht tun, protestierte ihr Verstand, während ihr Körper reglos wie eine Stoffpuppe in Bens Armen hing. Vielleicht war er neugierig darauf, wie Benedict küssen konnte …
Fast schmerzhaft sanft. Erstaunlich. Warme Lippen, trotz der kalten Wellen, durch die er geschwommen war. So behutsam glitten sie über ihre, weckten den Wunsch, mit ihm zu verschmelzen und … Eine seiner Locken fiel nach vorn, kühles Flusswasser rann über Rozenns Wange und in den Ausschnitt ihres Kleides. Wie der Himmel schmeckte er, nach allem, was sie jemals erträumt hatte, nach – Ben.
Ihre Knie wurden weich, ihr Atem ging stoßweise. Verwirrt lachte sie, rückte ein wenig von Ben ab und strich ihm das Haar aus dem Gesicht. Zu ihrem Leidwesen bebte dabei ihre Hand. An seiner Schulter hing immer noch die Wasserpflanze, und Rozenn wischte sie weg. Da umfing er ihre Taille noch fester und lächelte sie warmherzig an.
Für deinen Kuss würde ich nach England schwimmen.
Oh, wie er sie neckte …
„Ganz nass bist du …“ Sie räusperte sich und versetzte ihm einen leichten Stoß. „Geh, geh , du musst einen Wettkampf gewinnen.“
Wortlos nickte er, ließ sie los und sprang in den Fluss.
An Mikaelas Seite beobachtete sie jeden einzelnen seiner Schwimmzüge. Mochte es auch töricht sein – sie glaubte, wenn sie ihn nicht aus den Augen verlor, würde er die Brücke unversehrt erreichen. Als sie einen Ellbogen zwischen den Rippen spürte, warf sie einen kurzen Blick auf ihre Freundin und sah ein wissendes Lächeln.
„Was für eine Lügnerin du bist, Rozenn!“
„Wie – wie, bitte?“
„Sir Richard
Weitere Kostenlose Bücher