Ballade der Leidenschaft
Spielerisch schlug Rozenn nach seinem Arm. „Bist du denn niemals ernst?“
„Nicht, wenn ich’s verhindern kann.“
„Ben?“
„Hm?“
„Verrätst du mir, worüber du mit Adam gestritten hast? Er wollte es mir nicht erzählen.“
Schweigend starrte er über die Dächer der Häuser hinweg. Welch ein Träumer er manchmal war …
„Ben?“
„Hm?“
„Dein Streit mit Adam. Worum ging es?“
Da hob er die breiten Schultern. „Irgendwas wurde über einen Besuch in Genevieves Badehaus gemunkelt.“
„Oh …“, murmelte Rozenn und runzelte die Stirn. Genevieves Badehaus war auch das Bordell von Quimperlé. Kein Wunder, dass Ben sich dort herumgetrieben hatte … Aber warum war es deshalb zu einem Zwist mit Adam gekommen?
Männer. Werde ich sie jemals verstehen? Ein dunkles Augenpaar mit langen Wimpern beobachtete sie, und sie schüttelte den Kopf, um Ben zu bedeuten, dass sie darüber nichts hören wollte. Das hatte er wahrscheinlich erwartet. Seufzend folgte sie ihm zum Gasthaus, um herauszufinden, was Mikaela für diesen Abend gekocht hatte.
Am nächsten Morgen traf Rozenn ihre Pflegemutter in der kühlen Stille der Schlosskapelle, einem der wenigen Orte in Quimperlé, an denen man sich ungestört unterhalten konnte.
„Was?“ Ivona starrte sie entgeistert an. „Bist du verrückt geworden?“
Krampfhaft schluckte Rozenn. Sie saß neben Ivona auf einer Bank an der Südseite der Kapelle. Soeben hatte sie von Adams Einladung berichtet und von ihrem Plan, nach England überzusiedeln. Nach dem Entsetzen zu schließen, mit dem Ivona diese Nachricht aufgenommen hatte, durfte sie wohl nicht hoffen, die Mutter würde sie nach Fulford begleiten. Ihren Entschluss, Sir Richard zu heiraten, hatte sie bisher verschwiegen.
„Nur damit ich das nicht falsch verstehe …“ Ivona legte sich eine Hand auf die Stirn. „Du planst eine Reise in ein fremdes Land – mit Benedict, dem Spielmann als deinem einzigen Beschützer? Gewiss, der Mann spielt Laute wie ein Engel, aber was nützt dir das, wenn du Räubern oder Meuchelmördern in die Arme läufst?“
„ Maman , ich werde abreisen. Wie ich dir soeben erklärt habe – Adam lädt uns beide ein. Eigentlich ist es fast schon eine Anweisung und …“
Ungeduldig winkte Ivona ab. „Er sollte es besser wissen. Ich bin viel zu alt, um dich bei einem so törichten Unterfangen zu begleiten. Und was dich angeht – wer weiß, was dir auf so einer Reise zustoßen mag?“
Dieses Gespräch erwies sich als genauso schwierig, wie Rozenn befürchtet hatte. „Bitte, maman …“ Beruhigend strich sie über Ivonas Arm. „Bens ganzes Leben war eine einzige Reise. Sicher weiß er, wie er mich schützen muss.“
„Benedict soll dich schützen? Wenn er dich nicht verführt, wird er dich vernachlässigen, während er sich mit einer anderen vergnügt!“
Seufzend verdrehte Rozenn die Augen. „Ich vertraue ihm.“
„Und ich kein bisschen“, entgegnete Ivona, die Stirn gerunzelt.
„Warum magst du ihn nicht, maman ?“
„Also glaubst du, ich mag ihn nicht?“ Verwirrt blinzelte Ivona, rutschte auf der Bank herum, und das Holz knarrte. „Doch, ich mag ihn. Ein süßes Kind war er – wirklich. So leid tat er mir, als er seine Mutter verlor und mit seinem Vater dieses unstete Leben führen musste – ständig auf der Wanderschaft. Und Adam und Ben …“ Ihr Blick schweifte zum Altar. „Die besten Freunde … Natürlich war es Ben, der dich unter dem Rosenstrauch bei der Taverne fand. In eurer Kindheit habt ihr drei euch so gut verstanden. Wenn du mit Adam und Ben zusammen warst, musste ich mich niemals sorgen.“
„Und warum beurteilst du Ben jetzt anders? Weil irgendwas in Genevieves Haus geschehen ist?“
„Davon weißt du?“ Ivona musterte ihre Pflegetochter mit schmalen Augen, und Rose nickte.
„Gestern hat Ben es erwähnt. Er bedauert den Streit mit Adam. Ich glaube, er will mit mir nach England fahren, um alles wiedergutzumachen.“
Als Rozenn ein leises Schluchzen hörte, schob sie den Schleier beiseite, der Ivonas Gesicht verhüllte.
„Maman?“
Noch ein gedämpftes Schluchzen. „Tut mir leid, Rose – ich möchte nicht, dass du abreist“, gestand Ivona. „Ich will dich nicht verlieren.“ Über ihre Wange liefen Tränen, die sie mit dem Saum ihres Schleiers wegwischte. Dann straffte sie die Schultern und lächelte tapfer. „Verzeih mir. Es ist nur – Adam wollte schon immer fortgehen, das wusste ich. Alle Mütter wissen, was ihre Söhne
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