Ballade der Leidenschaft
Gefühl berauschte sie wie starker Wein. Bis zum letzten Denier hatte sie Pers Schulden bezahlt.
Die Börse war nun um einiges leichter. Aber was machte das schon aus? Rose besaß noch genug Geld, um ein letztes Geschäft mit Ketill abzuschließen. Allerdings durfte sie nicht zu eifrig erscheinen …
Demonstrativ schloss sie den Beutel.
„Vielen Dank für Eure Geduld, Ketill. Und jetzt möchte ich Euch ein letztes Geschäft anbieten. Ich plane eine Reise nach England, zu meinem Bruder, Sir Adam.“
An ihrer Seite hielt Ben den Atem an. „Rose …“
„Und ich werde vielleicht nicht zurückkehren“, fuhr sie in entschiedenem Ton fort. „Tagelang überlegte ich, wie um alles in der Welt ich dorthin gelangen soll, denn ich kann nicht reiten. Dann erinnerte ich mich daran, dass Eure Familie im Norden Englands lebt. Zwischen Euren Seereisen kehrt Ihr mit Osgood doch sicher heim?“
Ketill kniff die Augen zusammen, aber er lächelte. „Also wollt Ihr eine Passage auf meinem Schiff buchen?“
„Ja, für mich selbst und möglicherweise für noch jemanden.“
Ben zupfte an ihrem Ärmel. „ England , Rose? Meinst du das ernst?“
„Gewiss, ich fahre zu Adam.“ Entschlossen erwiderte sie seinen eindringlichen Blick. Aber irgendetwas in seinen dunklen Augen gab ihr zu denken. Es schien fast, als freute er sich. Wie eigenartig … „Das habe ich dir doch schon erzählt, Ben. Mein Bruder schickte mir eine Nachricht, und er lud Ivona und mich in sein neues Heim ein.“
„Ja, ja, ich entsinne mich. Aber – wollt ihr Quimperlé wirklich verlassen?“
Rozenn stemmte ihre Hände in die Hüften. „Für Ivona kann ich nicht sprechen. Was mich betrifft – ich möchte tatsächlich abreisen. Warum auch nicht?“
„Nun …“ Ben strich durch sein Haar und grinste schief. Ganz eindeutig, er freute sich. „Aus keinem Grund“, antwortete er, dann ergriff er ihren Arm und wollte sie beiseite führen.
Dagegen wehrte sie sich. „Warte, ich habe meine Verhandlung mit Ketill noch nicht beendet.“
„Doch, vorerst schon.“ In seinem Kinn zuckte ein Muskel. Energisch zerrte er Rozenn hinter sich her, den Kai entlang, weg von Ketill und Osgood.
„Was soll das?“, fragte sie verblüfft.
„Darüber reden wir beim Abendessen.“ Ben zog sie in Richtung der Gasse, die zu ihrem Haus und zum „Weißen Vogel“ an der höchsten Stelle des Hangs führte.
Ach, Ben … Manchmal benahm er sich wirklich merkwürdig. Lächelnd musterte sie ihn, ehe sie zur Besinnung kam und ihre Hand zu befreien suchte. „Hör zu, Ben, ich werde mit dir essen. Aber vorher muss ich eine Passage auf Ketills und Osgoods Schiff buchen, solange sie noch im Hafen anlegen. Die beiden sind nicht nur die vertrauenswürdigsten Geschäftsmänner, die ich kenne – außerdem leben sie auch noch in England, und da will ich hinfahren.“
Ben drehte sich am Fuß des steilen Hangs um und blieb so abrupt stehen, dass Rozenn gegen ihn prallte. Unwillkürlich streckte er den Arm aus, um sie zu stützen, und sie ergriff seine Hand.
„Ich war wohl der Letzte, der das erfahren sollte“, schimpfte er, schlang seine Finger um ihre und erzeugte wieder jenes beunruhigende Prickeln in ihrem Bauch.
Sie runzelte die Stirn. „Genau genommen habe ich’s dir zuerst erzählt.“
„Rose, ich war mir nicht sicher, ob du es ernst meinst.“
„Ich meine es sogar sehr ernst“, betonte sie achselzuckend. „Ich werde mit dir zu Abend essen. Aber zuerst lass mich bitte mit Ketill reden.“
Entschieden schüttelte er den Kopf. „Du kannst nicht …“
„ Was kann ich nicht?“ In wachsendem Ärger starrte sie ihn an.
Eine zarte Fingerspitze berührte ihre Wange. In ihrem Bauch kribbelte es erneut, und Ben zog einen Mundwinkel hoch. „Vorsicht, kleine Blume, deine Grübchen verschwinden schon wieder. Ich wollte dir nur klarmachen, dass du nicht an Bord eines Schiffs nach England reisen kannst.“
„Warum denn nicht?“ Den Kopf in den Nacken gelegt, schaute sie zu ihm auf. „Osgood hat erwähnt, er würde mit seinem Vater regelmäßig nach Norden segeln. Da führen ihre Handelswege hin, an der Küste des Herzogtums entlang, bis sie die Meerenge erreichen.“
„Ja, Rose, am anderen Ende der Meerenge liegt England.“
„Und?“
„Du fürchtest dich vor dem Wasser. Vorhin hast du ziemlich verstört ausgesehen. Und ich weiß auch, wieso.“ Ben zeigte am Kai vorbei zur Laïta. „Noch nie hast du auch nur eine Zehenspitze in den Fluss getaucht, und jetzt
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