Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ballade der Leidenschaft

Ballade der Leidenschaft

Titel: Ballade der Leidenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carol Townend
Vom Netzwerk:
glitschig. Rozenn und Ben rümpften die Nase, während sie vorsichtig einen Fuß vor den anderen setzten.
    An Deck des Schiffs war das schützende Segeltuch zurückgerollt, und Ketills jüngster Sohn Osgood war gerade dabei, die Fracht neu zu ordnen. Wie ein Sachse hatte er sein langes blondes Haar im Nacken zusammengebunden. Als er ein Fass in einen Lastkarren hievte, spannten sich die kräftigen Muskeln seiner Arme an.
    Rozenn wollte warten, bis Osgood das Fass sicher verstaut hatte, und ihn erst dann ansprechen. Während sie ihn beobachtete, wurde sie auf einmal von einem bedrückenden Gefühl erfasst.
    Seltsam – dabei war dies doch der ersehnte Tag, an dem sie endlich die letzten Schulden ihres verstorbenen Mannes begleichen würde. Sie schaute zum höchsten Punkt der Klippen hinauf, hinter dem sich, wie sie wusste, der „Weiße Vogel“ verbarg. Was Mikaela wohl zum Abendessen servierte? Rozenn betrachtete die Reihe der kleinen Häuser, die bis zum Hafen herabreichte. Hauteville … Plötzlich musste sie schlucken. War das der Grund ihres Kummers? Dass sie bald abreisen würde?
    Nein , flüsterte eine innere Stimme, sei ehrlich . Daran liegt es nicht. Dir bricht das Herz, weil du Ben am Abend seiner Rückkehr von deinem Plan erzählt hast, die Bretagne zu verlassen – und er nicht einmal mit der Wimper gezuckt hat. Es hat ihn überhaupt nicht gekümmert. Du hast Angst, dass du ihm nicht mehr so viel bedeutest wie in eurer Kindheit. Und vielleicht hast du recht.
    Inzwischen war das Fass am vorgesehenen Platz gelandet, und Osgood rollte den Frachtkarren zurück.
    „Osgood? Osgood! “
    Der junge Mann wandte sich zu ihr um und schenkte ihr ein anerkennendes Grinsen. Dann schwang er sich geschmeidig über die Reling.
    Als er Roses Hand schüttelte, erstarrte Ben an ihrer Seite. Verwirrt blinzelte er, was sie aus irgendeinem Grund ärgerte.
    „Ah, Mistress Rozenn!“ Ganz leicht strich Osgood mit seinem Daumen über ihren Handrücken. „Freut mich wirklich sehr, Euch wiederzusehen! Wie fabelhaft Ihr ausseht – die schönste Witwe der ganzen Bretagne!“
    „Ja, ja, Osgood.“ Entschlossen ignorierte sie Bens Verhalten und schaute lächelnd in die blauen Augen des Händlers, der gern mit ihr flirtete, auf völlig harmlose Weise. Jeder wusste, dass er überaus glücklich mit einer jungen Frau namens Anki verheiratet war. Die beiden wohnten mit ihrer Tochter in Scarborough an der englischen Nordküste, und Osgood schäkerte nur mit Frauen, die solche Worte nicht ernst nehmen würden. Mit Rozenn hatte er erst nach ihrer Hochzeit mit Per begonnen und machte jetzt weiter, weil er wusste, sie würde niemals darauf eingehen. Sollte er jemals den Eindruck gewinnen, dass sie tatsächlich ein Auge auf ihn geworfen hätte, würde er sofort die Vertäuung lösen und schnell wie der Wind davonsegeln.
    Rozenn zeigte auf die Börse an ihrer Taille. „Auch dein Vater wird sich freuen, mich zu sehen, denn ich bin hier, um meine Schulden zu begleichen.“
    Während Osgood seinen Vater verständigte, löste sie ihre Hälfte des Kerbholzes vom Gürtel. Es zeigte die Summe an, die Per dem Händler geschuldet hatte, mittels Einkerbungen, an dem Tag eingeritzt, an dem die Zahlung hätte erfolgen sollen. Wie es dem Brauch entsprach, war das Holz gespalten worden, und Rose hatte die eine Hälfte behalten, Ketill die andere.
    „Vater! Vater! Hier ist Mistress Rozenn, mit dem Geld von ihrem Gemahl!“
    Aus den Augenwinkeln sah sie schon wieder den rothaarigen Mann mit der spitzen Nase. Diesmal saß er auf einem Poller in der Nähe des herzoglichen Schiffs und interessierte sich offenbar brennend für Abt Benoîts Gespräch mit dem Kapitän. Aber in diesem Moment eilte Ketill mit seiner Hälfte des Kerbholzes herbei, und sie dachte nicht weiter darüber nach.
    „Oh, Mistress Rozenn!“
    Grinsend und sichtlich erleichtert sah der Händler zu, wie Rozenn die beiden Teile des Kerbholzes zusammensetzte. „Da, Ben, halt das bitte fest, wenn ich das Geld abzähle.“
    Wenig später lag die geschuldete Summe in Ketills großer, schwieliger Hand. Vater und Sohn überprüften die Kerben. Als sie zufrieden nickten, hielt Ben die Hölzer hoch. „Darf ich?“
    „Gern, mein Junge“, antwortete Ketill, „erledige die Formalitäten.“
    Lächelnd hob Ben ein Knie und zerbrach beide Hölzer. „Hiermit bezeuge ich, dass die Schuld offiziell beglichen ist.“
    Endlich frei! Von Rozenns Seele schien eine schwere Last abzufallen, und dieses

Weitere Kostenlose Bücher