Ballade der Leidenschaft
die Lippen. So vertrauensvoll wie ein Baby schlummerte sie. Er beneidete sie um diesen Luxus.
Kurz nachdem sie eingeschlafen war, hatte er einen Wolf heulen gehört, und ein anderer hatte geantwortet. Rose war nicht einmal zusammengezuckt. So fest konnte Ben nicht schlafen. Ein Leben auf der Straße und der Zwang zu ständiger Wachsamkeit förderten nun einmal keinen tiefen, traumlosen Schlummer.
Geistesabwesend streichelte er ihr seidiges Haar, hob eine Strähne an seine Nase und atmete den Duft ein. Jasmin, Seifenkraut und darunter – Rose. Ja, wie ein Baby schlief sie, ohne auch nur im Mindesten zu ahnen, dass ihr Gefährte die halbe Nacht wach neben ihr gelegen und sich nach etwas gesehnt hatte, das er niemals würde erlangen können.
Die übergroße Macht dieser Sehnsucht erschreckte und quälte ihn. Trotzdem würde er sie nicht stillen. In jüngeren Jahren hätte er Rose vielleicht aus Quimperlé entführt und dazu gebracht, sein Leben zu teilen. Doch sie hatte sich für Per entschieden, und mit der Zeit war das Sehnen verebbt.
Aber jetzt … jetzt … Ben schüttelte den Kopf. Anscheinend hatte die Reise den Wunschtraum erneut geweckt, den er sich nicht erfüllen durfte. Insbesondere, weil Rose glaubte, Sir Richard hätte um ihre Hand angehalten …
Müde rieb er seine Schläfen. Wenn sie in England eintrafen und Rose erfuhr, dass der Ritter Adam gar nicht um ihre Hand gebeten hatte … Oh Gott, welch ein Chaos! Dann würde sie nicht einmal mehr mit Ben reden.
Irgendwann wird sie mir vielleicht verzeihen. Und ich hätte das Recht, um sie zu werben.
Aber ich kann ihr nur ein ziemlich unbequemes, unsicheres Leben bieten, an der Seite eines speziellen Gesandten, eines geheimen Vermittlers, der sich hinter der Maskerade eines fahrenden Sängers verbringt …
Mit einem Ritter wäre sie besser dran. Mit einem echten Ritter. Heiliger Himmel, ich darf mir nicht einmal vorstellen, sie zu heiraten. Was sollte ich denn mit einer Ehefrau anfangen?
Die Eule rief wieder, und Ben nahm das Rascheln eines Tieres im Unterholz wahr. Oder vielleicht eines Menschen? Alle seine Muskeln spannten sich an.
Noch ein Rascheln, ein Zweig knackte, und Bens Herzschläge beschleunigten sich. Ein Dachs? Oder einer der Wölfe, die eben geheult hatten? Nein, das glaubte er nicht. Vorsichtig rückte er von Rose weg und schlüpfte in seine Stiefel. Keine Zeit für die Verschnürung des Beinkleids. Das Kurzschwert in der Hand, kroch er zur Zeltöffnung und schaute hinaus.
Verdammt, kein Licht. Offenbar wurden die Sterne von Wolken verdeckt. Er sah nur die Glut des Lagerfeuers, die im Schwarzgrau der Lichtung wie ein Bernsteinauge schimmerte. Geduckt eilte er zu der Stelle, wo – hoffentlich – Eudo und sein Knappe schliefen. Ben streckte eine Hand aus und berührte einen zerzausten Kopf. Gien, nach dem Haarschnitt zu schließen. Doch der Platz daneben war leer.
Während er dem Jungen den Mund zuhielt, rüttelte er ihn wach. Unter seiner Hand bäumte Gien sich auf. „Ich bin’s, Ben“, flüsterte er kaum hörbar. Der Knappe entspannte sich. „Vorhin habe ich etwas gehört. Bist du still?“
Der Junge nickte, und Ben entfernte seine Hand.
„Wo ist Eudo?“
„Keine Ahnung.“
Ben sah es nicht, spürte jedoch, wie der Junge die Achseln zuckte. „Verdammt“, murmelte er und kauerte sich auf seine Fersen.
Im Osten verriet ihm ein schwacher Silberstreif das nahende Morgengrauen. Falls man ihnen einen Hinterhalt stellen wollte, wäre dies der geeignete Zeitpunkt.
Nur vage spürte er die Kälte auf seinem nackten Oberkörper. Er stand auf und umklammerte den Schwertgriff fester. „Ich werde das Terrain sondieren.“ Gien sprang auf, offenbar in der Absicht, ihn zu begleiten. Abwehrend hob Ben seine freie Hand. „Nein, mein Junge, du musst hierbleiben, Wache halten und Rose beschützen.“
„Ja, aber – Bened…“
„Keine Widerrede!“ Ben legte Gien einen Finger auf die Lippen. Dann schlich er zum Rand der Lichtung. Methodisch suchte er die Umgebung ab, von Schuldgefühlen geplagt. Hätte er Eudo bloß in seinen Verdacht eingeweiht, dass ihnen jemand folgte …
Obwohl er den Ritter erst seit einem Tag kannte, vertraute er ihm bereits. Genug, um ihm zu erzählen, dass er dem Herzog eine streng geheime Nachricht überbrachte? Merde. Da er schon so lange allein arbeitete, handelte er nach dem Grundsatz, niemandem zu trauen, sich auf niemanden zu verlassen. Leichtfüßig eilte er so lautlos dahin, wie er es von seinem
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