Ballade der Leidenschaft
sich über ihn. Aus ihren schönen braunen Augen rannen Tränen. Sein Kopf war nicht auf ein Kissen, sondern auf ihre Beine gebettet. Und jemand hatte ihn zugedeckt.
Irgendwie zwang er sich zu einem Lächeln, auch wenn er fürchtete, dass es eher zu einer Grimasse geriet. „Keine Grübchen, chérie ?“
Sie erstickte ihn nicht mit Küssen. Dafür war er wegen der höllischen Schmerzen dankbar. Aber sie lächelte ihn unter Tränen an, und sekundenlang war sogar ein Grübchen zu sehen. Ganz leicht lag ihre Hand auf der Decke über seiner Brust.
Nach einem tiefen Seufzer verschränkte er seine Finger mit ihren. „Eudo?“
„Ja, mein Junge, da bin ich.“
„Vermutlich habt Ihr mich gefunden?“
„Ja, ich trug Euch zu unserem Lager.“
„Danke. Hat der Kerl …“ Ben hob einen bleischweren Arm und rieb sich die Stirn. „Hat er mein Schwert gestohlen?“
„Nein, das habe ich. Glücklicherweise kam ich gerade dazu, als er Euch niederschlug. Er warf nur einen kurzen Blick auf mich und stürmte davon.“
„Wie sah er aus?“
„Das konnte ich nicht feststellen, weil der Schurke eine Kapuze trug.“
„War er allein?“
Eudo zog eine Braue hoch. „Ich habe niemand weiteren gesehen. Hattet Ihr mit Schwierigkeiten gerechnet?“
Ben zögerte und überlegte, wie er sich verhalten sollte. Rose durfte von seiner Mission nichts erfahren, um ihrer eigenen Sicherheit willen. Aber er brauchte Eudos und Giens Hilfe, wenn sie Josselin unversehrt erreichen wollten. Und je mehr der Ritter wusste, desto besser konnte er sich auf etwaige Zwischenfälle vorbereiten. Natürlich durfte Ben ihm nichts über die Pläne des Herzogs erzählen, die England betrafen. Doch er konnte den Brief des Abts erwähnen …
Er schaute zu Rose hinauf, die sanft seine Schläfen massierte. Mit einiger Mühe setzte er sich auf, und sie ließ die Hände sinken. In seinem Hinterkopf pochte es stärker denn je, und als er ihn betastete, spürte er eine Beule, so groß wie ein Taubenei.
„Wärst du so freundlich, mein Hemd und meine Tunika zu holen, Rose? Ich friere, und vorerst möchte ich lieber nicht aufstehen.“
Forschend sah sie ihn an, und er fürchtete schon, sie würde ihm die Bitte abschlagen. Doch dann nickte sie, erhob sich und eilte ins Zelt.
„Hört zu, Eudo …“ Leise und hastig begann Ben zu sprechen. „Aber sagt Rose nichts davon. Ich habe eine Mission zu erfüllen: Ich muss Herzog Hoël eine Nachricht von seinem Vetter in Quimperlé bringen.“
Eudo runzelte die Stirn. „Von Abt Benoît?“
„Ja“, bestätigte Ben. „Ich sollte seinen Brief dem Herzog in Rennes persönlich überreichen. Aber er hat jemanden in Josselin postiert, und jetzt finde ich es besser, das Schreiben diesem Mann anzuvertrauen und ihn mit der restlichen Reise zu beauftragen. Noch weiter möchte ich die geheime Information nicht befördern. Sonst würde ich Rose womöglich gefährden.“
Das unvermittelte Lächeln des Ritters und sein Blick in Richtung Zelt warnten ihn. Offenbar kehrte Rose mit den Kleidern zurück. „Nur keine Bange, mein Junge.“ Eine kampferprobte Hand voller Narben tätschelte Bens Arm. „Bald werdet Ihr wieder auf den Beinen sein.“
13. KAPITEL
D em Himmel sei Dank, endlich Josselin, dachte Rozenn und starrte Ben, der die kleine Reisegruppe in einem markerschütternden Trab zu den Schlosstoren hinaufjagte, finster an. Dann litt er eben unter unerträglichen Kopfschmerzen; das war noch lange kein Grund, ihr Pferd wieder an den Führzügel zu nehmen. Oder Geheimnisse vor ihr zu haben. Natürlich war ihr der Blick nicht entgangen, den er mit Eudo gewechselt hatte, als er sie bat, seine Kleider aus dem Zelt zu holen. Genauso wenig wie der plumpe Versuch des Ritters, kurz vor ihrer Rückkehr schnell das Thema zu wechseln … Irgendetwas führten die beiden im Schilde, und sie wurde nicht eingeweiht, was ihr kein bisschen gefiel.
Während die Hufe auf dem Kopfsteinpflaster klapperten, umfasste sie Pechs Zügel etwas fester und straffte die Schultern.
An einer Seite wurde der Weg vom Fluss Oust begrenzt, an der anderen von Geschäftshäusern, die größtenteils aus Holz gebaut waren, wie in Quimperlé und Hennebont. Obwohl ihr alle Glieder wehtaten, versuchte sie, sich ihre Müdigkeit nicht anmerken zu lassen, als andere Reisende sie auf dem Weg zur Burg überholten. Sie suchte einen möglichst bequemen Sitz im Sattel und hielt sich kerzengerade. Endlich drosselte Ben das Tempo zu einem erträglichen Trott, und sie
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