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Ballade der Leidenschaft

Ballade der Leidenschaft

Titel: Ballade der Leidenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carol Townend
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unter der Trennung litt. Trotz seiner Galanterie und der Zuneigung, die er für sie empfand – für die Ehe war er nicht geschaffen. Und sosehr sie ihn auch liebte, sie eignete sich nicht für ein Nomadenleben. Deshalb war ihre Liebe zum Scheitern verurteilt.
    Ihr Herz schmerzte so sehr, dass sie meinte, sterben zu müssen. Verzweifelt krallte sie ihre Fingernägel in die verletzte Handfläche, um sich mit einem stärkeren Schmerz abzulenken, presste sich die andere Hand auf die Brust und holte tief Luft. Keine Tränen, Rose. Nicht in dieser Nacht, nicht morgen, und schon gar nicht, wenn Ben Abschied von dir nimmt. Tränen würden ihn an dich ketten, sein Gewissen belasten. Auf diese Weise darfst du ihn nicht binden.
    Denn er war ein Freigeist.
    Am nächsten Tag stand Ben auf und frühstückte, bevor Rose erwachte. Ehe sie hinter dem Vorhang des Schlafraums hervorkam und eine Scheibe Brot von der erhitzten Steinplatte auf dem Herd nahm, hatte er von einem normannischen Weinhändler bereits den schnellsten Weg nach Fulford erfahren.
    Rose trug ihr blaues Kleid, auf dessen Kragen und Manschetten sie mit weißem Garn ein verschlungenes keltisches Muster gestickt hatte. Genauso weiß schimmerte ihr Schleier.
    „Guten Morgen, Madame“, grüßte die Frau des Gastwirts in gestelztem, aber verständlichem normannischem Französisch. Ben beobachtete, wie sie Rose zu einem Buffet führte. „Möchtet Ihr Schinken zu Eurem Brot?“
    „Nein, danke. Aber diese Birnen sehen köstlich aus.“
    Ben setzte sich neben Rose, um ihr Gesellschaft zu leisten. Amüsiert registrierte er, wie sie an dem Krug Ale nippte, der ihr gereicht worden war, und höflich versuchte, nicht das Gesicht zu verziehen. Es war wohl ein ziemlich bitteres Gebräu. Dann bemerkte er die dunklen Ringe unter ihren Augen. Also hatte auch sie wenig Schlaf gefunden. „Heute musst du nicht lange im Sattel sitzen – für eine erfahrene Reiterin wie dich ist das leicht zu verkraften. Also werden deine Muskeln keine allzu schlimmen Qualen erleiden.“
    „Danke, Ben.“ Sie rückte ihren Schleier zurecht. „Inzwischen habe ich mich ans Reiten gewöhnt, und seit der Abreise aus Josselin fühlen sich meine Beine nicht mehr so steif an. Wie hast du mich damals zur Eile angetrieben …“
    Ihre Stimme erstarb, und Ben fand, dass ihre Worte fast wehmütig klangen. Bedauerte auch sie, dass sie sich bald würden trennen müssen?
    Nun blieb ihnen nicht mehr viel Zeit, bestenfalls noch ein Vormittag; dann würde Rose endlich ihren Bruder Adam wiedersehen, ihre Schwägerin kennenlernen. Und unglücklicherweise würde sie auch Sir Richard of Asculf treffen. Von ihrer Hoffnung, ihn zu heiraten, ahnte der Ritter nichts. Aber als Adams guter Freund hielt er sich sicher oft in Fulford auf. Oh Gott – soll ich ihr jetzt die Wahrheit gestehen oder diese letzten gemeinsamen Stunden ungetrübt genießen?
    „Was bedrückt dich, Ben?“
    Er zwang sich zu lächeln. „ Rien, chérie. Nichts. Wenn du gegessen hast, sollten wir aufbrechen – Fulford erwartet dich.“
    Wenn der Weinhändler die Strecke richtig eingeschätzt hatte, blieben ihm vielleicht noch drei Stunden allein mit Rose. Und dann?
    Sie musste die Wahrheit erfahren.
    Plötzlich erinnerte er sich an die Rollen, die sie auf der Reise durch die Bretagne angenommen hatten. Wann immer er den Ritter gemimt hatte, war Rose entzückt gewesen. Ihre Augen hatten gestrahlt, ihr Körper war dahingeschmolzen. In vollen Zügen hatte sie das Fantasiespiel genossen. Ja, zweifellos wünschte sie sich die Ehe mit einem Ritter, Sir Richard, und sie würde Ben niemals verzeihen, dass er sie getäuscht hatte, um sie für diese Reise zu begeistern.
    Noch zwei Stunden. Warum zum Teufel vergeudete er seine Zeit? Ben starrte den Rücken der jungen Frau an, die vor ihm ritt.
    Sie folgten der Küstenstraße eine Weile, bevor sie sich landeinwärts wandten. Zur Linken erstreckte sich das Meer, zur Rechten ragten die Downs mit ihren Kalkklippen empor. Der Weg stieg leicht an und führte durch Buchen- und Eichenwälder. Tatsächlich glich es der Bretagne, seit sie die Klippen hinter sich gelassen hatten.
    Mit steifem kerzengeradem Rücken saß Rose im Sattel. Woran dachte sie? Bemerkte sie, wie vertraut die Landschaft in diesem fremden Land war? Oder träumte sie – was er wahrscheinlicher fand – von ihrem Ritter, dem Mann ihres Lebens?
    Viel Zeit hatte Ben nicht mehr. Er sollte wirklich mit ihr reden. Aber welche Worte sollte er wählen?

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