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Ballade der Leidenschaft

Ballade der Leidenschaft

Titel: Ballade der Leidenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carol Townend
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immer wieder an den Hof des Herzogs in Rennes zurück. Dahinter musste mehr stecken als der Auftrag, die Weihnachtsfeierlichkeiten dort zu organisieren. Und der Rotschopf, den er auf der Galerie getroffen hatte, war wahrscheinlich ebenfalls für Herzog Hoël tätig.
    Erfüllte Ben auch jetzt eine Mission? War er so distanziert, weil er an seine Pflichten dachte? Wenn er ihr nur vertrauen und sie in alles einweihen würde – wenn er nur …
    Entschlossen richtete Rozenn ihr Augenmerk auf die Landschaft, die fremden englischen Gefilde, die am Schiff vorüberzogen. Es war sinnlos, so sehnsüchtig an Ben zu denken. Sie zwang sich, die von Felsen durchbrochene Küstenlinie zu mustern. In den Untiefen suchten Austernfischer nach Nahrung. Eine breite Flussmündung zog vorbei. Schwäne, Schilfrohr. Im frischen Wind flog ein Möwenschwarm heran und nahm direkten Kurs auf das Schiff. Wie die ewig Verdammten kreischten die Vögel.
    Rose blinzelte alberne Tränern weg, sog die salzhaltige Luft tief in ihre Lungen und erschauerte. Bald würde sie Sir Richard wiedersehen. Zu bald. Der Wind kühlte ihre Wangen, die Taue ächzten. Hinter ihr holten die Seemänner die Segel ein, und sie hörte ihre Rufe. Flaschenzüge knarrten, Segeltuch flatterte. In wenigen Minuten würden sie landen. Hätte sie die Küste nicht gesehen, würde sie es immer noch den Worten der Besatzung entnehmen.
    „Noch eine Reise sicher überstanden“, riefen die Seeleute einander zu, „heute Abend werden wir eine anständige Mahlzeit vor einem lodernden Herdfeuer bekommen.“
    Wenn bloß die Übelkeit nachließe …
    „He, kleine Blume!“, rief Ben, und sie spürte, wie er spielerisch an ihrem Zopf zupfte. Dann trat er neben sie. „Gleich sind wir da.“
    Als sie die alte vertraute Sanftmut in seinem Tonfall erkannte, fand sie keine Worte. Immerhin gelang ihr ein Lächeln. Vor ihren Augen verschwamm die Landschaft.
    Ben warf ihr einen scharfen Blick zu und legte eine Hand auf die Reling. Aufmerksam betrachtete er die Küstenlinie, der sanfte Ausdruck verschwand aus seinem Gesicht. Ein Löwe auf der Jagd. Ihre Ellenbogen berührten einander, und er bewegte sich. Kaum merklich, aber genug, um Abstand zu schaffen.
    Seit sie an Bord gegangen waren, hatte er sie kaum angesehen, geschweige denn berührt. Deshalb war es sinnlos, über ihn nachzudenken. Damit würde sie alles nur noch schlimmer machen.
    Ihr Magen krampfte sich zusammen. Natürlich, er will mich nicht berühren. Es ist, als wären wir bereits getrennt … Und für ihre Übelkeit gab es nur einen einzigen Grund – bald musste sie sich von ihm verabschieden. Sie war nicht seekrank, ihre Angst vor dem Wasser war verflogen.
    Ihr graute auch nicht vor der Begegnung mit Sir Richard. Nur vor der Trennung von Ben. Das beklemmende Gefühl in der Magengrube verriet ihr, dass er sich bereits von ihr verabschiedet hatte. Damals, im Lagerraum der Burg von Josselin, als er sich aus ihrer Umarmung gelöst hatte.
    „Ben?“
    „Hm?“ Er wandte sich zu ihr, der Wind wehte ihm das Haar aus der Stirn. Die sinkende Sonne tauchte seine Züge in rötliches Licht, und Rozenn stand so dicht neben ihm, dass sie die grünen und grauen Flecken in seinen Augen sah.
    „Wie lange wird es dauern, bis wir Fulford erreichen?“
    „Man hat mir erklärt, es wäre nicht allzu weit von der Küste entfernt“, antwortete er und zeigte zur Sonne. „Aber angesichts der Tageszeit, und weil ich diese Gegend nicht kenne, werde ich sicherheitshalber ein Quartier in der Nähe des Hafens suchen. Morgen früh brechen wir auf. Wenn wir Glück haben, solltest du zum Mittag bei deinem Bruder ankommen.“
    „Schon so bald?“, fragte sie schweren Herzens. Ein weißer Schmetterling flatterte vorbei. Sie näherten sich dem Hafen von Bosham, und sie zwang sich, hinüberzuschauen.
    Wie Nadeln in einem Nadelkissen ragten schwarze Masten in den Abendhimmel – normannische Kriegsschiffe. Einige Dutzend ankerten im Hafen, es musste die gesamte normannische Flotte sein. Rozenn erkannte einen hölzernen Kai, einen Hafendamm. In der Abendsonne schimmerte ein Kirchturm aprikosengelb. Rose sah ein Mühlrad, das sich langsam bewegte, und Wasser, das wie flüssiges Feuer ins Meer strömte.
    Am Himmel zogen Wolkenfetzen dahin, rosa und golden schimmernd wie das Muster der Decke, die sie für Comtesse Muriels Tochter bestickt hatte. In einem anderen Leben. Während das Schiff seinen Ankerplatz ansteuerte, verdunkelte sich der Himmel. Grau ging

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