Ballade der Liebe
nur ein bisschen Französisch und Latein, aber wirklich nur ein paar Brocken.“
„Es war italienisch“, antwortete er.
„Es wäre herrlich, wenn ich die Texte verstehen könnte.“ Und sie nahm sich vor, eines Tages die italienische Sprache zu lernen. „Ich wünschte, ich hätte die Notenblätter, dann würde ich die ganze Oper auswendig lernen.“
„Lord Tannerton wird beglückt sein zu hören, dass er Ihnen damit eine Freude gemacht hat.“
Er hatte ihr offenbar gar nicht zugehört. Sie hatte von der Musik geschwärmt, nicht von Lord Tannerton. Sie schwieg, lehnte sich in die Polster zurück und schwelgte in Erinnerung an die Musik.
Flynn brach das Schweigen. „Hat Ihnen Lord Tannerton gefallen, Rose?“
„Alles hat mir gefallen“, antwortete sie gehorsam und versuchte, sich die Melodie der großen Arie von Donna Elvira ins Gedächtnis zurückzurufen.
Aber Flynn hatte den Bann gebrochen und mahnte sie daran, dass sie einem Wiedersehen mit dem Marquess zugestimmt hatte. „Wo werde ich Sie heute Abend in Vauxhall treffen?“, fragte sie.
„Ich hole Sie nach Ihrem Auftritt in der Garderobe ab.“
„Letty wird auch da sein. Es wäre mir lieb, wenn Sie allein kommen, ohne Lord Tannerton.“ Sie wollte vermeiden, dass Letty mit dem Marquess sprach und peinliche Fragen stellte.
„Einverstanden, ich komme allein.“ Er redete völlig sachlich, als handle es sich um eine Geschäftsbesprechung – was im Grunde ja auch stimmte. „Sorgen Sie dafür, dass Miss Green gleichfalls anwesend ist?“
„Ja, das tue ich.“
Den Rest der Fahrt schwiegen beide. Als die Karosse anhielt, half Flynn ihr beim Aussteigen und begleitete sie zur Haustür.
„Ich bringe Sie bis zu Ihrer Wohnung“, sagte er.
Das enge Stiegenhaus war nur von einer Öllampe erhellt. Auf den Holzstufen hörte Rose das Rascheln von Mäusen, die in ihre Verstecke huschten.
Auf dem Absatz vor der Wohnungstür herrschte beinahe völlige Finsternis, die ihr Flynn irgendwie entfremdete und die in ihr nachklingende Musik zum Schweigen brachte.
„Gute Nacht, also.“ Ihre Stimme klang zaghaft.
„Gute Nacht“, sagte er und wandte sich zum Gehen.
Sie legte die Hand auf den Türknauf.
„Rose?“
Erwartungsvoll drehte sie sich um.
„Es freut mich, dass Ihnen die Oper gefallen hat.“ Bevor sie etwas erwidern konnte, war er schon auf halber Stiege.
Greythorne hielt sich im Schatten seitlich vor dem Podium und beobachtete Rose O’Keefe. Ihre Stimme klang heute noch voller, leidenschaftlicher. Dieses Feuer wollte er aus ihr herauskitzeln. Er wollte ihr Dirigent sein. Für ihn sollte sie in höchsten Tönen singen wie nie zuvor in ihrem Leben, vibrierende, schluchzende Töne, die nur er ihr zu entlocken vermochte.
Er entdeckte Tannerton in der Zuschauermenge. Sein Rivale, der ihm zuvorkommen wollte und gleichfalls Besitzansprüche an die Frau stellte. Von diesem Schnösel wollte Greythorne sich allerdings nicht beirren lassen. Dem Marquess of Tannerton die Beute vor der Nase wegzuschnappen, machte das Spiel für Greythorne nur noch spannender, erhöhte den Reiz dieser Jagd. Tannerton verkörperte alles, was Greythorne verabscheute. Er war ein Müßiggänger, ein Lebemann, der sich weit mehr für Pferde interessierte als für den tadellosen Sitz seines Gehrocks. Kaum zu glauben, dass er und Tanner beim selben Schneider arbeiten ließen. Allerdings würde der nachlässige Kerl ohne Westons überragende Schneiderkunst aussehen wie ein Landstreicher.
Nachdem Miss O’Keefe ihren Gesang beendet hatte, beobachtete Greythorne, wie Tannerton etwas zu seinem Sekretär sagte, der ständig in seiner Nähe war. Dann trennten sich die beiden. Ziemlich ungewöhnlich, dass der Marquess sich im Sommer in London aufhielt. Normalerweise verbrachte er die Saison in einem eleganten Seebad wie Brighton, oder er ging seinen Vergnügungen in Paris nach.
Greythorne spielte kurz mit dem Gedanken, mit Miss O’Keefe nach Paris zu reisen, in eine andere Welt, weit weg von ihren Freunden und deren Einfluss. Aber zunächst musste er herausfinden, was Tannerton in dieser Nacht vorhatte.
Er folgte dem Marquess, der ziellos durch den Park zu wandern schien und gelegentlich stehen blieb, um mit einem Bekannten ein paar Worte zu wechseln. Es wäre klüger gewesen, dem Sekretär zu folgen, bei dem offenbar alle Fäden zusammenliefen. Greythorne machte kehrt, eilte zur Rotunde zurück und erhaschte gerade noch einen Blick auf den Sekretär in Begleitung zweier Frauen.
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