Ballade der Liebe
Orchester spielte die ersten Takte eines Walzers. Tanner nahm sie bei der Hand, drehte sie zu sich und legte den anderen Arm locker um ihre Taille. Leichtfüßig und beschwingt, führte er sie im Dreivierteltakt in die Mitte der Tanzfläche und reihte sich mit ihr in die anderen Paare ein, die sich schwungvoll zu den Walzerklängen drehten wie bunte Kreisel.
Tanner war ein ausgezeichneter Tänzer, der seine Partnerin mit sicherer Hand führte. Rose, die nur selten Gelegenheit hatte zu tanzen, beherrschte die schwierigen Walzerschritte nur mühsam und kam sich plump und tollpatschig vor. Unter Tanners Führung verlor sie jedoch bald ihre Scheu und schwebte in seinen Armen im Kreis.
Eigentlich müsste sie sich zu diesem jungen Mann und seiner offenen, liebenswürdigen Art hingezogen fühlen. Dummerweise erspähte sie Flynn, der Katy auf die Tanzfläche führte. Und plötzlich konnte Rose an nichts anderes mehr denken als daran, was sie empfinden würde, wenn sie in seinen Armen liegen und ihm in die Augen schauen würde, während sie sich mit ihm im Walzertakt drehte.
Als der Tanz vorüber war, wollte Tanner ihre Hand nicht loslassen. „Machen wir einen kleinen Spaziergang?“, schlug er vor.
Rose zögerte. „Bitte nicht. Ich … bin durstig geworden. Vom Tanzen.“
Sein jungenhaft reumütiges Lächeln hätte jedes Frauenherz zum Schmelzen gebracht, nur nicht das ihre. „Dann begeben wir uns wieder ins Separee und nehmen eine Erfrischung.“
Hinter dem Paar betraten auch Katy und Flynn die Loge unter den Arkaden. „War das ein Spaß!“, rief Katy begeistert und drückte Flynns Arm in ihrer plump vertraulichen Art.
Rose konnte es kaum ertragen, sie anzusehen. „Den nächsten Walzer solltest du mit Lord Tannerton tanzen“, platzte sie heraus.
Der Marquess zögerte eine Sekunde, bevor er liebenswürdig zustimmte. „Glänzende Idee.“
Rose schämte sich ihrer ungestümen Worte, versuchte sich aber einzureden, damit lediglich Tannertons Aufmerksamkeit auf Katy lenken zu wollen. Aber das wäre gelogen. Sie war schlicht und einfach eifersüchtig.
Die Musikkapelle unter Mr. Hooks Dirigentenstab ließ das Publikum nicht lange auf den nächsten Walzer warten. Dieser neue beschwingte Tanz, bei dem die Paare sich einander sehr nahe kamen, war in dieser Saison sehr beliebt.
Diesmal hatte Flynn es weniger eilig, Tannerton auf die Tanzfläche zu folgen. Rose hatte Gewissensbisse, sich ihm erneut aufzudrängen, nachdem er sie erst kürzlich in ihre Schranken gewiesen hatte.
Doch als er den Arm um ihre Mitte legte und sie in seine blauen Augen blickte, war alle Beklommenheit verflogen. Er drehte sich im Kreis mit ihr, reihte sich in den Reigen der Paare ein und wirbelte mit ihr über die Tanzfläche. Zwar nicht annähernd so leichtfüßig wie Tannerton, aber das störte Rose nicht im Geringsten. Sie schmiegte sich in seine Arme mit einem seltsam tröstlichen Gefühl, hierher zu gehören.
Er tanzte schweigend, ohne den Blick von ihr zu wenden. Rose nahm ihre Umgebung verschwommen wahr, hatte nur Augen für ihn. Und für die Dauer dieses Tanzes gab sie sich der Illusion hin, es gäbe nur sie und ihn auf der Welt. Anfangs hielt er sie zaghaft, als scheue er davor zurück, sie zu berühren, doch mit jeder Drehung schien er sie näher an sich zu ziehen. Rose wünschte, sie würde sich ewig mit ihm im Kreis drehen, bis ihre Körper miteinander verschmolzen. Sie wünschte, ein jauchzendes, nie endendes Lied mit ihm anzustimmen.
Dann verstummte die Musik. Flynn hielt sie jedoch weiterhin in den Armen.
„Vielen Dank, Flynn“, flüsterte sie. Seine Augen hatten sich verdunkelt, sein Blick war voller Sehnsucht, und Rose rauschte das Blut in den Adern. Sie fühlte sich magnetisch zu ihm hingezogen, näher und näher, so wie die Walzerklänge sie zu ihm hingezogen hatten.
Plötzlich löste er sich von ihr und trat einen Schritt zurück. „Tannerton erwartet uns.“
8. KAPITEL
Zwei Tage später stand Flynn wieder vor Rose O’Keefes Wohnung. Tanner hatte ihn damit beauftragt, ihr ein Präsent zu überreichen, das sie davon überzeugen sollte, sein Angebot anzunehmen. Etwas weit Kostbareres als Smaragde. Etwas, das ihr einen Herzenswunsch erfüllen würde und das ihm den Sieg über Greythorne sichern sollte.
Und Flynn hatte die nötigen Vorkehrungen getroffen.
Er hörte die Stimmen von Mr. O’Keefe und Miss Dawes in der Wohnung und zögerte einen Moment, bevor er anklopfte.
„Mach doch auf!“, rief Miss Dawes
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