Ballade der Liebe
darauf antworten soll“, gestand Rose beschämt. „Ich bin noch nie in einem Phaeton gefahren.“
Von dem hohen offenen Platz hatte sie freien Blick auf Straßen und Passanten, ein erregendes Gefühl, wie sie gestehen musste. Dennoch flogen ihre Gedanken zu Flynn, der in dieser Stunde Verhandlungen mit ihrem Vater führte.
„Sie verzeihen mir hoffentlich, dass ich Sie nicht in der Wohnung abgeholt habe. Flynn erteilte mir nämlich strikte Anweisung, im Wagen zu bleiben.“ Tanners Miene war völlig ernst. Er hatte offenbar ähnliche Gedanken wie sie.
„Verstehe“, sagte Rose, der nichts Besseres einfiel.
Der Marquess lächelte dünn. „Flynn nimmt wohl an, ich verderbe alles, wenn ich mich einmische.“
„Verderben?“
„Ich bin für solche Dinge absolut ungeeignet“, erklärte er. „Flynn ist der geborene Diplomat. In meiner Ungeduld stimme ich entweder jeder Forderung zu, um die lästige Sache hinter mich zu bringen, oder ich werde wütend, und die Verhandlungen enden in einer Prügelei.“
Irgendwie wollte ihr keine der beiden Möglichkeiten gefallen, wie ihm schien.
„Seien Sie unbesorgt“, fuhr er deshalb beschwichtigend fort. „Flynn wird dafür sorgen, dass sich alles zum Guten wendet.“
Mit geübtem Schwung bog er in die St. Martin’s Lane ein, überholte eine Mietdroschke und eine Karriole, die von einem jungen Mann mit konzentrierter Miene gelenkt wurde. Rose drehte sich nach ihm um. Es war Robert Duprey, der Ehemann ihrer Freundin Mary! Offenbar war das Paar wieder aus Bath zurück. Er aber nahm keine Notiz von ihr, da er zu sehr damit beschäftigt war, das sportliche Gefährt durch den Verkehr zu lenken.
„Ich habe, wie ich hoffe, eine gute Nachricht für Sie.“ Tanner hielt die Zügel lässig und sicher, ganz im Gegenteil zu Duprey, der seine Pferde völlig verkrampft lenkte.
„Ach ja?“
Tanner warf ihr einen Seitenblick zu. „Wir haben mit Ayrton gesprochen …“
Rose konnte sich denken, was dieses „wir“ bedeutete. Gewiss hatte Flynn mit dem Musikdirektor gesprochen.
„Miss Hughes und Signor Angrisani wollen die Chorgesänge mit Ihnen einstudieren. Bei einer der nächsten Vorstellungen stehen Sie vielleicht schon auf der Bühne.“
Davon hatte sie seit Langem geträumt. Seltsamerweise aber wollte sich die erhoffte Hochstimmung nicht einstellen. „Vielen Dank, Lord Tannerton.“
Vor dem King’s Theatre hielt er den Phaeton an und hob sie von ihrem hohen Sitz. Seine Hände umspannten ihre Mitte, ohne dass Rose einen Anflug der prickelnden Erregung spürte, die Flynns Berührung stets in ihr auslöste. Tannerton begleitete sie in den Saal und nahm in einer der hinteren Reihen Platz, während sie zur Bühne eilte.
Die Gesangsstunde forderte ihren ganzen Einsatz, und sie lernte so viel dabei, dass sie auf nichts anderes achtete. Sie vergaß sogar Flynn und ihren Vater. Miss Hughes und der Signor lehrten sie, ein Chor habe zu klingen wie eine machtvolle Stimme. Sie müsse lernen, ihre Stimme mit den anderen zu verschmelzen. Die junge Sängerin, an deren Stelle Rose singen sollte, übte die jeweiligen Passagen mit ihr ein.
Während einer Pause fragte Rose das Mädchen: „Stört es Sie, dass ich in dieser Aufführung Ihren Platz einnehme?“
„Gütiger Himmel, nein“, entgegnete das Mädchen verblüfft. „Ich bekomme die doppelte Gage, wenn ich nicht singe.“
Flynn bezahlte die junge Sängerin also gut, damit für Rose ein Traum in Erfüllung gehen konnte. Nein, verbesserte sie sich im Stillen. Flynn mochte dem Mädchen das Geld aushändigen, aber es war Tannertons Geld, und Rose fragte sich schuldbewusst, welche Summen ihre Lehrer wohl kassierten, nur damit sie in King’s Theatre singen konnte.
Am Ende des Unterrichts riet ihr Signor Angrisani: „Besuchen Sie die Vorstellung, so oft es Ihnen in der kommenden Woche möglich ist, und merken Sie sich alle Gesten und Positionen. Mr. Ayrton hat Sie für die Aufführung am kommenden Samstag eingeteilt.“
Ihr Leben würde sich grundlegend ändern.
Als sie die Bühne verließ und durch den Zuschauerraum ging, wo Lord Tannerton auf sie wartete, machte ihr Herz einen Satz. Flynn war bei ihm. Sie spürte seinen Blick auf sich.
„Flynn?“ Ängstlich sah sie ihn an.
Er wusste genau, was sie wissen wollte. „Das Angebot ist unterbreitet“,antwortete er.„Ihr Vater sieht sich allerdings gezwungen, auf Greythorne zu warten, bevor er es akzeptiert.“
„Wieso fühlt er sich dazu gezwungen?“, fragte
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