Ballade der Liebe
Sängerinnen ließ eine Bemerkung fallen, dass alle Chormitglieder für diese zusätzliche Probe großzügig bezahlt wurden.
Flynn war auf dem Weg zum Theater sehr still gewesen, und Rose spürte eine innere Unruhe in ihm. Sie wagte nicht zu fragen, ob er ebenso aufgeregt war wie sie. Im Theater angekommen, drückte er ihr einen sittsamen Kuss auf die Stirn, den sie noch Stunden später zu spüren glaubte, und überließ sie ihrem Schicksal, ohne ihr Glück zu wünschen, da dies in Künstlerkreisen als schlechtes Omen galt.
Dann stand Rose auf der Bühne und sang ihre winzige Rolle in Don Giovanni, den Blick in den dunklen Saal über die unzähligen Köpfe der Zuschauer gerichtet, in einem schweren Kostüm und mit dicker Schminke im Gesicht. Obwohl Roses Lampenfieber während der gesamten Vorstellung nicht wich, verpasste sie keinen Einsatz und verhaspelte sich nicht im Text.
Lord Tannerton, Flynn und Katy saßen in der Privatloge des Marquess, der –natürlich auf Flynns Vorschlag hin – auch Madame Bisou eingeladen hatte. Und Rose konnte sich vorstellen, dass alle ihr die Daumen drückten, und wusste, dass Flynns Blick nicht von ihr weichen würde.
Als der Vorhang sich nach dem letzten Akt senkte, setzte tosender Applaus ein, gemischt mit Bravorufen für Miss Hughes, Signor Angrisani und die anderen Sänger. Rose durchströmte eine unendliche Erleichterung. Sie hatte es geschafft. Sie war im King’s Theatre aufgetreten.
Nachdem sie sich abgeschminkt und umgezogen hatte, luden die Chorsängerinnen sie in den grünen Salon ein, zu dem einige auserwählte Herren aus dem Publikum Zutritt erhielten, um die Darstellerinnen zu begrüßen. Rose spürte viele bewundernde Blicke auf sich, bevor sie Lord Tannerton entdeckte, der sich mit Mr. Ayrton unterhielt.
„Aha, da sind Sie ja.“ Tanner trat auf sie zu und nahm sie bei der Hand.
Sie versank in einen tiefen Knicks.
„Sie haben Ihre Sache ausgezeichnet gemacht, Miss O’Keefe.“ Der Marquess schenkte ihr ein anerkennendes Lächeln. „Wenigstens soweit ich es beurteilen kann. Flynn jedenfalls meinte, Sie waren wunderbar, und dem kann ich mich nur anschließen.“
Mr. Ayrton verneigte sich.„Ich unterhalte mich gerade mit Lord Tannerton, wie Sie sehen, und wir haben ein kleines Arrangement getroffen. Falls Sie weiterhin im Chor singen wollen, wäre es mir ein Vergnügen, Sie zu engagieren.“
Rose vermutete, dass es sich bei diesem „Arrangement“ um eine Art finanzieller Vergütung handelte und sie das Engagement ihrem großzügigen Gönner verdankte.
Sie bemühte sich um ein Lächeln. „Das ist sehr freundlich von Ihnen, Sir.“
Der Marquess bot ihr seinen Arm. „Wollen wir? Unsere Freunde warten.“
An Tannertons Seite verließ sie den grünen Salon; sie konnte es kaum erwarten, Flynn zu sehen und ihm zu berichten, dass sie geglaubt hatte, über dem Boden zu schweben vor Glück, weil ihr Traum in Erfüllung gegangen war. Ja, sie war sehr glücklich, im King’s Theatre auftreten zu dürfen, aber irgendwie war dieses Erlebnis nicht zu vergleichen mit dem ersten Mal, als sie in Vauxhall gesungen hatte, an jenem magischen Abend, an dem Mr. Hook ihr gestattet hatte, ein Lied zu singen. Flynn würde das verstehen.
Während sie an Tannertons Arm den breiten Flur entlangschritt, neigte der Marquess sich ihr lächelnd zu. „Ich habe eine Überraschung für Sie.“
Rose war nicht sicher, ob sie noch weitere Überraschungen verkraften würde.
Im Foyer bemerkte Rose neben Flynn und Katy zwei Freundinnen, die sie aus dem Haus von Miss Hart kannte: Mary und Lucy, zusammen mit ihren Ehemännern. Rose war sprachlos.
Tanner flüsterte ihr ins Ohr: „Überraschung“, und gab ihr einen sanften Schubs.
Erst jetzt kam Bewegung in Rose. Die jungen Frauen eilten aufeinander zu und fielen sich lachend und unter Freudentränen in die Arme.
„Madame Bisou hat uns von deinem Auftritt geschrieben und uns ein Billet geschickt“, erklärte Mary strahlend. „Was für eine herrliche Überraschung!“
„Es war fantastisch“, rief Lucy begeistert. „So etwas Wunderbares habe ich noch nie erlebt. Dich auf dieser großen Bühne zu sehen! Mir blieb fast das Herz stehen!“
„Aber es war doch nur eine winzige Rolle“, wehrte Rose verschämt ab. „Wie geht es euch? Habt Ihr Neuigkeiten von Miss Hart … ich meine Mrs. Sloane?“
Lucy lächelte verlegen. „Ich nenne sie auch immer noch Miss Hart. Irgendwie habe ich mich noch nicht daran gewöhnt.“
„Lucy hat
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