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Ballast oder Eva lernt fliegen

Ballast oder Eva lernt fliegen

Titel: Ballast oder Eva lernt fliegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mona Jeuk
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Wiedergeburt kann nur nach innen führen.“

    Die Lawine wuchs. Mit immer größerer Geschwindigkeit riss sie mehr und mehr Menschen mit sich. Eva erfuhr erst Tage später, dass die wasserstoffblonde Frau Journalistin war. In der lokalen Zeitung erschien ein ausführlicher, geradezu euphorischer Bericht, in dem die Frau beschrieb, wie sie zu Evas Versammlung gegangen war mit dem Ziel, eine Betrügerin zu entlarven. Wie Eva sie nur einmal angesehen habe und dabei in ihr gelesen habe wie in einem offenen Buch. Sie ließ auch die Sache mit ihrer großen Nase nicht weg und wie Eva mit funkelnden Augen und wenigen Sätzen ihren Komplex geheilt und ihre Ehe gerettet habe. Auf diese sehr persönliche Einleitung folgte eine verdächtig detaillierte Beschreibung der Wandlung Evas von einer materialistisch denkenden Modepuppe zu einer weisen Philosophin. Ausgeschmückt war dieser Teil, der eindeutig Arianes Handschrift trug, mit zahlreichen Zitaten. Eva war beim Lesen selbst beeindruckt von all den Weisheiten, die sie irgendwann schon einmal von sich gegeben hatte.

    Die Lawine, von fünf Sätzen ausgelöst, bekam durch diesen fünfspaltigen Zeitungsbericht gewaltig Nahrung. Eva las beim Frühstück immer öfter Lobeshymnen auf sich selbst. Das war fast ebenso befriedigend wie eine ihrer Befreiungs-Listen. Auf der Straße wurde sie von wildfremden Menschen angesprochen. Fernsehen und überregionale Presse entdeckten Eva und bald darauf die ganze Welt. Noch waren es nur einmalige Beiträge über eine kuriose Deutsche, doch fast immer wurden sie mit Foto veröffentlicht. Die wasserstoffgebleichte Journalistin mit der großen Nase hatte ihren Bericht an die dpa verkauft, um, wie sie sagte, Evas Botschaft den Menschen zugänglich zu machen. Ariane gefiel dieser Gedanke, und als sie erfuhr, wie weit über den Globus Evas Bild gewandert war, beschloss sie, dass auf diesem Weg noch mehr zu erreichen sein müsse. Sie überredete die Freundin, ihre Gedanken und Ansichten in einem Buch zusammenzufassen, und bot ihre Hilfe bei der Abfassung an.
    Es war nicht einfach, für dieses neue Projekt Zeit zu finden. Eva verdiente ihr Geld nach wie vor als Empfangsdame. Auch bot sie inzwischen einen zusätzlichen Vormittagskurs an, für den sie nach längerem Gespräch mit dem Personalchef ihre Arbeitszeit umgeschichtet hatte, und den die depressive Gattin desselben besuchte. Ariane löste das Zeitproblem, indem sie Eva ein Diktiergerät in die Hand drückte. Diese machte sich eine Themenliste, die sie, auf ihrer Relax-Liege ruhend, gewissenhaft abarbeitete. Das Tippen und Redigieren übernahm die Bürobotin.

    So ausgefüllt und erfüllend waren Evas Tage, dass für ihr wiedererwachtes Liebesleben nicht viel Raum blieb. Eva war froh darüber. Der Trubel erlaubte ihr, sich mit ihrer Dauer-Affäre zufrieden zu geben. Nichts Anderes war ihre Beziehung zu Bernd Liebig, der nie einen Hehl daraus gemacht hatte, dass er weder heiraten, noch in eine gemeinsame Wohnung ziehen wollte. Seine Arbeit brachte häufige Auslandsaufenthalte mit sich, auch arbeitete er oft bis spät in den Abend. Seine spärliche Freizeit wolle er genießen, hatte er ihr einmal erklärt, ohne Verpflichtungen und am liebsten mit Eva, die er ehrlich liebe. Im gefiel es, wie es war.
    Wenn die alten Sehnsüchte sie einholten, erinnerte Eva sich daran, dass die Familienphase für sie abgeschlossen war und eine Zeremonie, die kein Gelingen garantieren konnte, wenig bedeutete. Auch schickte sie sich an, eine Wandlung vom Habenmüssen zum Seinwollen zu vollziehen, und dies erleichterte es ihr, auf ihren Heiratswunsch zu verzichten. Wenn sie sich trafen, gingen sie aus und hatten hinterher Sex, guten Sex. Viel mehr Zeit hätten sie füreinander ohnehin nicht gehabt und alleine zu leben brachte viele Vorteile mit sich. Eva gab sich zufrieden. Eva fand sich damit ab.

    Die Vormittagskurse waren mit den überfüllten Abendveranstaltungen nicht zu vergleichen. Eva genoss die entspannte Atmosphäre, leitete die Yogaübungen selbst an und verzichtete dabei bewusst auf alles Brimborium. Sie betrat die Halle gemeinsam mit den anderen Frauen (es kamen fast ausschließlich Frauen, und manche brachten kleine Kinder mit, die dann in einer Ecke auf Turnmatten herumtobten), beteiligte sich an ihren Gesprächen über Windelmarken und Schulprobleme und begann mit einem einfachen Aufwärmprogramm. Wenn sie danach zu den Yoga-Asanas überging, entwickelte sich ganz ohne ihr Zutun ein Gespräch, oft eine

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