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Ballast oder Eva lernt fliegen

Ballast oder Eva lernt fliegen

Titel: Ballast oder Eva lernt fliegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mona Jeuk
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gewickelt, verließ sie das Haus.
    Eiskalter Wind trieb ihr Regen ins Gesicht. Eva sog die klare Luft ein und fühlte sich unbesiegbar. Was hatte sie nicht alles erreicht in den vergangenen dreizehn Monaten! Sie hatte sich, Stück für Stück, frei gemacht von dem Ballast, der gleich bleiernen Gewichten an ihren Füßen gehangen hatte. Nun war sie frei und leicht. Ihr Erfolg stieg ihr zu Kopf wie prickelnder Schaumwein. Sie wurde begehrt und umworben, geachtet und geliebt. Sie stand ganz oben, auf dem Gipfel, und sah die Welt zu ihren Füßen liegen.
    Und Eva würde nicht stehen bleiben. Das Dach der Welt kannte viele Berge, und ein jeder hatte seinen Gipfel. Hafte nie an den Resultaten, die du erzielst. Sie bringen dich vom Weg ab und behindern dein Fortkommen. Eva wusste nicht, wohin ihr Weg sie führen würde, welche Berge noch zu erklimmen waren, doch sie war fest entschlossen, jede Herausforderung anzunehmen. Selbst wenn sie den ein oder anderen Berg dafür würde versetzen müssen. Sie hatte die Kraft dazu.

    Vor Boskops Gartentor erkannte sie, dass dies seit Anbeginn das Ziel der Wanderung gewesen war. Acht Wochen waren es, dass sie den Gärtner nicht gesehen hatte. Vor Kathmandu war er ihr Lama, ohne dass sie es gemerkt hatte. Nun kehrte sie zu ihm zurück, wollte ihm zeigen, wie weit sie gegangen war, und seine Anerkennung ernten. Es drängte sie, ihm ihre Wohnung zu zeigen: Er sollte sehen, dass auch sie die schlichte Schönheit liebte. Es sollte anders kommen.
    Er sah sie an, wie sie so nass und strahlend vor ihm stand, und sprach kein Wort, doch seine Augen lachten. Mit seiner starken, schwielenharten Hand lud er sie ein. Zum ersten Mal trat Eva in sein Haus. Die regenschwere Jacke nahm er ihr von den Schultern und führte sie in seine warme Stube.
    „So sind Sie also wieder da. Das freut mich sehr.“
    Wie ein Stück Heimat fühlte sie sich an, des Gärtners tiefe Stimme. Sie hatte sie vermisst, und auch die freundlichgrauen Augen, verwundert nahm sie wahr, wie sehr. Und plötzlich fühlte sie sich hilflos klein.
    Mit einer Geste hieß er Eva, Platz zu nehmen, und verschwand. Sein Haus verwirrte sie: Es gab zu viel zu sehen. Das kleine Zimmer war so übervoll mit urig-alten Möbeln. Die Pflanzen wucherten und Bücher quollen aus Regalen. Dazwischen Steine jeder Farbe, Form und Größe. Bizarr geformte Wurzeln, Muscheln, zarte Vogelfedern: Ein jeder Blick bot Neues, ein jeder Offenbarung.
    Benommen fragt sich Eva:
    Was ist so schön
    an diesem Ort voller Ballast?
    Warum erstick ich nicht?
    Ich atme frei
    in all der Überfülle!
    Der Gärtner brachte Tee in zartem Porzellan. Dann saßen sie beisammen und sie sprachen: Von Kathmandu und Tibet, die auch Boskop kannte; über Buddhismus, Tao, Gott und auch die Welt. Boskop erzählte ihr von seinen Steinen, wo er sie gefunden hatte. Ein jeder hatte seine eigene Geschichte. Und so verging der Nachmittag. Der Abend brach herein.
    Da stand der Gärtner auf und machte Licht für seine Pflanzen. Es waren drei, denen er eigene Sonnen gab. Die lichten Kegel steigerten die Dunkelheit, die draußen wuchs. Zart strichen Boskops Finger über Blattgefieder.
    „ Diese hier sind mir die Liebsten.“ Er sprach, den Rücken Eva zugewandt, mit leiser Stimme. „Sie sind sehr anspruchsvoll. Ich muss mir ihre Schönheit erst verdienen. Sie wollen Aufmerksamkeit und viel Pflege.
    Schönheit: Es gibt so vielerlei, und keine gleicht der andern. Das Veilchen, sanft und anspruchslos, verlangt nichts als ein Fleckchen Erde. Die stolze Rose will gehegt sein und gepflegt. Ich muss ihr dienen, ihre Feinde töten. Erst dann belohnt sie mich, betört mir meine Sinne.“
    Boskop sah Eva an und sprach ihr in die Seele: „Es ist die schwierige, die kapriziöse Schönheit, die ich am meisten lieben muss. Ich kann nicht anders“, sagte er mit schiefem Lächeln, die Schulten hoben sich entschuldigend, „ich kann nicht anders“, sagte er, „weil ich ein Gärtner bin.“

Holzmichel unterschrieb am 24. Februar nach zähen Verhandlungen den Vertrag für Evas zweites Buch. Ariane ließ ihn bluten. Am 26. Februar reichte die Bürobotin ihre Kündigung ein und schloss mit Eva einen Vertrag, der ihr ein großzügiges Honorar als Agentin zusicherte.
    Sowohl Holzmichel, als auch Ariane drängten darauf, das Manuskript für Evas zweites Buch noch vor Ende des Sommers fertigzustellen. Der Lektor hatte kommerzielle Interessen im Auge, die Freundin gynäkologische.
    Am 11. März erschien Ungeschminkte

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