Ballaststoff
Was haben Sie am letzten Wochenende gemacht?«
»Gearbeitet. Kein freier Tag, weil jemand krank geworden war. Von Montag bis Sonntag immerzu gearbeitet.«
»Wann haben Sie normalerweise Feierabend?«
»So gegen 16 Uhr.«
»Und danach? Zum Beispiel Freitag-, Samstag-, Sonntagabend?«
»Ich denke, ich war jede Abend mit Ellen zusammen.«
»Wer ist Ellen?«
»Meine Freundin. Ellen Trede. Sie arbeitet manchmal im Golfshop.«
»Wie ist die Adresse von Frau Trede?«
Higgins nannte eine Adresse in Neustadt.
»Aber sie ist nicht da«, fügte er noch hinzu. »Gestern ist Ellen für eine Woche nach Spanien geflogen mit eine Freundin.«
»Das ist natürlich Pech, nicht wahr?«, fragte Jansen sarkastisch. Higgins konnte ein Grinsen nicht unterdrücken.
»Na dann, bis zum nächsten Mal, Herr Higgins«, sagte Jansen, als sie gingen, »ich wette, wir sehen uns wieder.«
Ohne ein Wort stand der Greenkeeper auf und verschwand nach draußen, wo ihn die Herrenrunde mit neugierigen Gesichtern erwartete.
»Seit Wembley 1966 sind mir die Engländer suspekt«, murrte Jansen, sobald sie wieder in ihrem Dienstwagen saßen.
»Der Mann ist Schotte und kein Engländer, Claus. Außerdem – zugegeben, ich bin kein Fußballfachmann, aber damals war der sowjetische Linienrichter schuld«, widersprach Angermüller seinem Kollegen. »Außerdem warst du 1966 noch nicht einmal geboren!«
»Is doch egal. Der Typ hat uns nicht alles gesagt. Der stinkt meilenweit gegen den Wind!«
»Das ist natürlich ungünstig für uns, dass seine neue Freundin ausgerechnet jetzt verreist ist. Aber wir werden die Aussage von Higgins, wie auch sein Alibi, auf jeden Fall genau unter die Lupe nehmen. Das ist doch klar, weißt du doch. Aber sag mal, warum bist du eigentlich so schlecht gelaunt heute?«
»Ich bin nicht schlecht gelaunt«, gab Jansen gereizt zurück, und Angermüller unterdrückte seinen Widerspruch.
»Aber dat is doch mal wieder ein verdammt komischer Zufall, dat der neue Partner seiner Exfreundin, den dieser Higgins mehrmals bedroht und verprügelt hat, ausgerechnet auf dem Golfplatz, wo Higgins arbeitet, tot aufgefunden wird.«
»Natürlich, das ist auffällig. Aber genauso wichtig finde ich den Zusammenhang mit dem Wohnort von dem Staroske. Die Ländereien dieses Graswurzelhofes grenzen schließlich hier an den Golfplatz. Deshalb sollten wir uns dort gleich umsehen, Kollege, oder was meinst du?«
»Logisch, wat sollen wir sonst machen bei diesem Sommerwetter, an so einem beknackten Sonntag. Etwa entspannt am Strand liegen? Nö, da haben wir Besseres zu tun.«
»Du bist sauer, weil du wieder deine Freizeit opfern musst, oder? Hast du Ärger mit Vanessa deswegen?«
»Ach, Vanessa«, war alles, was Jansen zu diesem Thema sagte. Es klang verdrossen.
»Wenn mein Orientierungssinn mich nicht täuscht«, fuhr er etwas sachlicher fort, »liegt dieser komische Bauernhof hier rechts vom Golfplatz. Na denn. Fahr’n wir da doch mal hin.«
Wie angenehm. Gesche spürte die warme Sonne auf ihrem Rücken, hörte den fröhlichen Strandlärm, roch das Meer und fühlte sich wunderbar entspannt, wie sie so auf dem Bauch auf ihrem Handtuch lag. Stundenlang hätte sie noch einfach so vor sich hin dösen können. Doch sie mussten zurück auf den Hof, wo die üblichen Pflichten warteten. Außerdem wurde sie langsam hungrig und freute sich bereits auf das Teetrinken im Garten. Dennoch war sie froh. Sie hatten mal wieder einen richtig schönen Sonntag mit der ganzen Familie gehabt und es endlich geschafft, zu ihrer neuen Nachbarin Kontakt aufzunehmen. Ganz spontan hatte sie Tilde gefragt, ob sie nicht Lust hätte, mit ihnen zum Strand zu kommen, und sie war mitgekommen, sehr zu Gesches Freude.
Thea und Svenja waren nicht aus den Fluten zu kriegen. Dominik stand die meiste Zeit am Ufer, beobachtete mit offenem Mund die anderen und freute sich mit ihnen. Der 34-Jährige war eine eher vorsichtige Natur, nur ab und zu setzte er einen Fuß in die anrollenden Wellen und zog ihn kurz darauf schnell wieder zurück. Lisamarie, die Enkelin der Nachbarn, planschte fröhlich mit den Mädchen. Sie verbrachte bei ihren Großeltern die Ferien und verstand sich ganz wunderbar mit Thea. Fast jeden Tag hielt sie sich auf dem Graswurzelhof auf. Lisamarie war ein etwas dickliches Mädchen, ziemlich verwöhnt, zumindest materiell, und unglaublich neugierig. Sie war mit ihren zwölf Jahren zwei Jahre älter als Thea, kannte sich aus mit sämtlichen Fernsehsendungen
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