Ballaststoff
hatte sich schon wieder die Tür zur Nachbarwohnung einen Spalt geöffnet.
»Das passt mir jetzt eigentlich gar nicht«, versuchte Anke Mewes halbherzig, den unerwarteten Besuch vom Betreten ihrer Wohnung abzuhalten, machte dennoch einen Schritt zur Seite und ließ die Männer herein.
Aus dem einen Zimmer hörte man die Kinder lachen und toben. Sie führte die Beamten in ihr Wohnzimmer, das nicht sehr groß war und von einer Couchgarnitur und einer Schrankwand beherrscht wurde. Der Fernseher lief, irgendeine Kochsendung. Auf dem niedrigen Tisch standen eine Keksdose, eine Thermoskanne und zwei benutzte Kaffeetassen, was Angermüller sofort registrierte.
»Wir wollen auch nicht lange stören«, sagte er zu der jungen Frau. »Können Sie uns erzählen, was Herr Staroske gewöhnlich so zum Frühstück gegessen hat?«
Sie sah ihn irritiert an. »Ganz normal. Brötchen, Butter, Marmelade, manchmal Käse. Der hat ja kein Fleisch gegessen, der Kurt«, erklärte sie. »Und Kaffee getrunken hat er. Warum ist das so wichtig?«
»Das brauchen wir einfach nur für unsere Ermittlungen, Frau Mewes. Der Vollständigkeit halber.«
Sie gab sich mit dieser nichtssagenden Erklärung zufrieden. Die kleinere ihrer beiden Töchter lugte um die Ecke ins Wohnzimmer. Als Angermüller sie anlächelte, zog sie beleidigt ihren Kopf zurück.
»Was ist mit Müsli? Hat Kurt Staroske manchmal Müsli gegessen?«
Anke Mewes überlegte. »Höchstens mal so zwischendurch. Die Kinder essen immer Müsli zum Frühstück, aber da wollte Kurt lieber seine Brötchen.«
»Mama! Müsli!«, tönte es plötzlich von der Tür. »Will Müsli essen!«
»Sei ruhig, Kimberly, du hattest welches zum Frühstück. Gibt bald Mittag. Mama macht Pizza«, gab Anke Mewes genervt zurück.
»Will aber Müsli«, nölte die Kleine mit den schwarzen Löckchen und steckte den Daumen in den Mund. Als keine Reaktion mehr von ihrer Mutter kam, drehte sie sich auf dem Absatz um und trappelte davon.
»Könnten Sie uns das Müsli mal zeigen, das Sie im Haus haben?«
»Wenn das so wichtig für Sie ist.« Sie erhob sich lahm. Kimberly kam angesaust und schmiss sich gegen ihre Mutter, die das Kind unwillig von sich wegdrückte.
»Mama, warum sitzt denn der Robby ganz allein in der Küche?«, fragte die Kleine.
Kapitel VI
»Siehst du? Da drüben steht sein Auto.«
Jansen deutete auf einen weißen Mini, der im Schatten auf der anderen Straßenseite stand, als sie das Wohnhaus von Anke Mewes verließen. Er hatte ein britisches Nummernschild, und auf der Fahrertür war der auffällige Schriftzug des Lubeca Country Golf Clubs angebracht.
»Haben wir vorhin wohl übersehen.«
Der Greenkeeper hatte einen ziemlich verstörten Eindruck gemacht, als ihm in Anke Mewes’ Küche plötzlich die beiden Beamten gegenüberstanden. Sein Deutsch war erkennbar schlechter als sonst. Er hatte seinen freien Tag, erklärte er, und da hatte er bei Anke einfach mal angerufen. Vielleicht könne er seiner früheren Freundin irgendwie helfen, hatte er gedacht, nachdem ihr neuer Lebensgefährte ›hinweggegangen war‹, wie er es ausdrückte. Die junge Frau schien über seine Anwesenheit jedenfalls nicht unglücklich zu sein.
So hatten Angermüller und Jansen sich nur noch das Vorratsglas zeigen lassen, in dem Anke Mewes das Müsli aufbewahrte – es war die Eigenmarke irgendeines Discounters, wie sie angab – und eine Probe davon in einen kleinen Klarsichtbeutel abgefüllt.
»Machen wir erst mal Mittagspause?«, fragte Jansen.
»Lass uns vorher die Müsliproben in der Rechtsmedizin vorbeibringen, und ich besorge mir in der Stadt noch was zu essen. Du willst wieder den Härtetest in der Kantine machen?«
»Mir schmeckt dat da. Ich weiß gar nicht, wat du immer hast«, erwiderte Jansen verständnislos, der vor allem die reichlichen Portionen dort schätzte. »Aber ich glaube, heute könnt ich mal wieder einen Burger vertragen.«
So saßen sie denn eine knappe Stunde später im Besprechungsraum vom K 1 im siebten Stock der Bezirkskriminalinspektion, Jansen beim Burger, Angermüller bei Schwarzbrot und frischem Matjes. Der Kriminalhauptkommissar erfreute sich an der weiten Sicht über die Altstadt, die mit ihren roten Ziegeldächern und grünen Kirchtürmen wieder in strahlendem Sonnenlicht lag, während er mit glücklicher Hingabe schmauste. Die Stunden in der Rechtsmedizin am Morgen waren fast schon vergessen, und umso intensiver konnte er sich nun wieder den kleinen, angenehmen Dingen des
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