Ballaststoff
lang.«
»Und welches Zeug?«
»Ist alles dabei, von Marihuana über Pillen bis zu Kokain. Aber hauptsächlich wohl Gras. Vor allem beim Handel mit Marihuana wurde Andresen mehrmals erwischt. Einmal saß er auch im Bau, weil er mit einem bundesweit bekannten Dealerring zusammenarbeitete. Bei seiner Freundin ging’s immer um kleine Mengen, die sie angeblich für den Eigenbedarf besaß. Ach so, und im Indoor-Anbau von dem Zeug hat er sich auch schon versucht. Da hatte er sich mit jemandem zusammen eine Lagerhalle gemietet, aber blöderweise die Stromversorgung von der Marmeladenfabrik nebenan angezapft. Die Leute haben sich über ihre wahnsinnig angestiegene Stromrechnung gewundert, und deshalb ist das Ganze dann aufgeflogen.«
»Der Holgi!«, Jansen wirkte ziemlich verblüfft. »Also, nee, wirklich!«
»Wer weiß«, überlegte Georg Angermüller. »Vielleicht war seine Freundin ja deshalb so nervös, weil die wieder irgendein Geschäft laufen haben. Ich denke, wir sollten bei Andresen sofort eine Durchsuchung machen, in der Hoffnung, dass die nicht schon alles beiseitegeschafft haben, nachdem wir bei ihnen waren. Ich ruf’ gleich bei der Staatsanwaltschaft an. Vielleicht war der Staroske in diese Rauschgiftgeschäfte verwickelt, der brauchte ja immer Geld. Und die Diskussion, die Frau Langhusen beobachtet hat, ging vielleicht nicht um irgendwelche Schulden, sondern um dieses Thema. Und wir wissen ja: Beim Geld hört die Freundschaft auf.«
»Gut möglich«, stimmte Jansen zu.
»Claus, veranlasst du bitte, dass zwei Kollegen vom Rauschgift mitkommen. Zwei Streifenwagen sollen uns begleiten, und wir nehmen Anja-Lena mit.«
Sie hatten eine große Platte Rohkost wie Kohlrabi, Gurken, Tomaten, Radieschen, eben mit allem, was der Garten zurzeit hergab, verzehrt, mit Kräuter- und Erdnusssoße, sowie einem scharfen, roten Dip. Anschließend hatten sie sich noch auf einen großen Stapel Eierpfannkuchen gestürzt, dazu Apfelmus aus den ersten Frühäpfeln, die Thea und Lisamarie gestern aufgesammelt hatten.
Täglich so viele Leute zu bewirten, war nicht einfach. Möglichst viel von dem, was Gesche ihnen zum Essen servierte, kam hier vom Hof. Gleichzeitig versuchte sie, einen bunten und abwechslungsreichen Speiseplan zu gestalten, dachte dabei stets an die Kosten. Gewöhnlich hielt sie sich an die gute Regel der Bauern aus früheren Zeiten und servierte nur an Sonn- und Feiertagen Fleisch.
Wie üblich waren sie wieder eine große Runde beim Mittagessen, heute zwölf Personen mit Familie, Praktikanten, Betreuten und Lisamarie. In verschiedenen Einzelgesprächen hatten Gesche und Henning den anderen von Kurt und seinem Schicksal erzählt.
»Der Kurt ist doof«, war Dominiks lakonische Reaktion. Er hatte von Anfang an mit seiner Abneigung gegen den neuen Mitbewohner nicht hinter dem Berg gehalten, und wenn Kurt für Thea und ihre Freunde den Clown spielte, war er jedes Mal verärgert weggerannt. Dieser, im allgemeinen Sprachgebrauch Behinderte, hatte ein feines Gespür für menschliche Charaktere, umso verwunderter war Gesche über seine tief sitzende Antipathie in diesem Fall. Inzwischen dachte sie jedoch, dass Dominik wohl früher als alle anderen Kurts Vorspiegelungen erkannt hatte.
Bis auf Svenja, die immer noch ziemlich durcheinander war, hatten alle die Neuigkeit recht gefasst aufgenommen. Thea hatte auf dem Jahreszeitentisch eine Kerze für Kurt angezündet, und Lisamarie, die bereits von ihren Großeltern informiert worden war, hatte etwas von Tatort und Kommissaren schwadroniert.
Als sie mit Henning allein bei ihrer Tasse Kaffee saß, die ihr kleiner Luxus jeden Tag nach dem Mittagessen war, schnitt Gesche ein Thema an, das ihr schon seit gestern durch den Kopf ging.
»Ich muss die ganze Zeit daran denken, was dem Kurt passiert ist und wer das wohl getan haben mag. Ob wir den Täter kennen?«
Henning trank weiter schweigend seinen Kaffee.
»Und außerdem überlege ich immer …«, sie zögerte, »ich meine, er muss doch schließlich bestattet werden.«
»Dafür sind wir nicht zuständig«, erwiderte Henning entschieden.
»Und wer kümmert sich darum?«
»Normalerweise die Familie, oder?«
»Hatte Kurt denn Familie? Weißt du irgendwas darüber?«
Henning zuckte mit den Schultern. »Hat er nicht immer erzählt, er wäre frei wie ein Vogel? Kein festes Zuhause, keine Verpflichtungen, keinen Besitz?«
»Ja, stimmt. Na ja, er hatte diese Anke«, grübelte Gesche. »Aber erstens waren die noch
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