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Ballaststoff

Ballaststoff

Titel: Ballaststoff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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geholfen? War es überhaupt wichtig zu wissen, wie und warum Kurt auf den Golfplatz gekommen war? Natürlich, nach Recht und Gesetz musste ein Täter bestraft werden. Aber wem würde das dienen? Würde das irgendwas ändern?
    So durfte man nicht denken, ging es ihr dann durch den Kopf. Wir dürfen uns nicht zum Richter aufschwingen. Auge um Auge, Zahn um Zahn – so geht das nicht in einer zivilisierten Gesellschaft. Wir müssen beide noch einmal ganz genau überlegen, wie wir das anfangen wollen. Doch es führt kein Weg daran vorbei, dass Henning mit der Polizei redet.
     
    Angermüller und Jansen war der neu erwachte Tatendrang direkt anzumerken. Während sie eilig über das Klinikgelände, neben dem das Institut für Rechtsmedizin lag, zu ihrem Auto gingen, redeten sie lebhaft über die glückliche Fügung, dass sich diese Zeugin mit ihrem ausgeprägten visuellen Gedächtnis aus eigenem Antrieb noch bei der Polizei gemeldet hatte.
    »Ich kann zwar nicht verstehen, wie man sich dafür so begeistern kann, aber wenn diese Frau Varelas nicht so ein Krimifan wäre, wer weiß, ob die sich dann auch bei uns gemeldet hätte.«
    »Dat is wohl wahr«, stimmte Jansen zu, »und ich«, er tippte an seine Nase, »ich hab’s von Anfang an hier gehabt, dat dieser Typ uns wat vorgesponnen hat! Stimmt doch!«
    »Natürlich, natürlich, Claus, du und deine Nase! Berühmt, berüchtigt.«
    Angermüller klopfte seinem Kollegen auf die Schulter.
    »Sollten wir jetzt gleich Anke Mewes besuchen und fragen, was sie genau gemacht hat, nachdem Kurt Staroske an dem Morgen dort wütend abgehauen war?«, überlegte er.
    »Denkst du nicht, wir sollten lieber auf dem Kommissariat mit ihr reden? Die nette Atmosphäre bei uns wirkt sich auf den Wahrheitsgehalt von Zeugenaussagen doch meistens sehr positiv aus. Und dann lassen wir die zwei sich zufällig begegnen …«
    »Du bist ja ein Fuchs, Claus! Sehr gute Idee. Dann rufen wir gleich Anja-Lena an, die soll sich darum kümmern.«
    »Hallo, Herr Kommissar! Lange nicht gesehen«, sagte plötzlich jemand neben ihnen.
    »Oh, hallo, Frau Dr. Ruckdäschl!«, grüßte Angermüller möglichst unbefangen. »Geh schon mal, Claus. Ich komme gleich nach.«
    Mit schräg gelegtem Kopf und einem herausfordernden Lächeln stand die Rechtsmedizinerin vor ihm, eine Bürotasche unter dem Arm. Auch in der einfachen weißen Bluse und einem kurzen, schwarzen Rock sah sie wieder fantastisch aus.
    »Sag bloß, ich hab dich erschreckt, Georg? Du machst so ein Gesicht«, grinste sie und fragte, ehe er protestieren konnte: »Bist du gut nach Hause gekommen?«
    »Ja, natürlich«, sagte er leichthin. Der unerwartete Smalltalk fiel ihm schwer. »Du bist auf dem Weg ins Institut?«
    »Ach, wie kommst du denn darauf?«
    Ihre Stimme war der pure Spott. Was ist mir an dieser Begegnung nur so peinlich, dachte Angermüller und lachte albern.
    »Ich merke schon, das ist nicht die Zeit und nicht der Ort, Herr Kommissar«, stellte Anita Ruckdäschl mit amüsierter Miene fest. »Vielleicht trinken wir besser mal wieder einen Wein zusammen. Du hast ja meine Nummer. Ciao, bello.«
    Und mit energischen Schritten verschwand sie auf ihren hochhackigen Schuhen in Richtung Rechtsmedizin. Angermüller eilte zum Wagen, der in Sichtweite stand. Natürlich musterte ihn sein Kollege neugierig, nachdem er eingestiegen war, doch erstaunlicherweise sagte Jansen nichts außer: »Ich hab Anja-Lena schon Bescheid gesagt. Dann fahren wir jetzt mal wieder Golfen.«
    Ich hab mich wirklich unmöglich benommen eben, ärgerte sich Angermüller, wie ein linkischer Pennäler in der Pubertät. Wahrscheinlich war ihm das mit Anita einfach alles zu schnell gegangen. Er kannte sie ja kaum. Wer weiß, ob es neben ihrer unleugbaren Anziehungskraft als Frau sonst noch Verbindendes zwischen ihnen beiden gab. Und wer weiß, ob Anita das überhaupt erwartete. Ihr Vorschlag, doch mal wieder einen Wein zusammen zu trinken, hatte sich nicht verpflichtender als beim letzten Mal angehört. Und wahrscheinlich meinte sie es auch heute wortwörtlich. Kein romantisches Dinner bei Kerzenschein mit anregenden Tafelgesprächen, keine gemeinsamen kulinarischen vor den anderen Genüssen, sondern wieder ein weinseliger Abend in der Bar, der recht zügig im Bett endete. Eine – zugegeben – aufregende Abwechslung, aber nichts weiter. Wollte er das?
    Angermüller ließ die reizvolle Landschaft vor dem Autofenster vorbeiziehen, den See, der in einer Senke zwischen grünen Wiesen

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