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Ballaststoff

Ballaststoff

Titel: Ballaststoff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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sein würde, und stundenlang schwitzend herumzustehen, war auch nicht sehr angenehm.
    Eine halbe Stunde später verabschiedete sich Gesche von den anderen, die in der Küche das Abendessen vorbereiteten. Es duftete zwiebelig scharf. Hoch konzentriert und mit roten Wangen schnitt Svenja die Lauchstangen in akkurate Ringe, während Thea und Dominik mit dem Käse beschäftigt waren.
    »Du siehst sehr schön aus, Mama«, sagte Thea mit ehrlicher Bewunderung zu Gesche, die sich für die leichte, weiße Spitzenbluse zur schwarzen Leinenhose entschieden hatte. Das Kind sprang zu seiner Mutter und umfing sie mit beiden Armen.
    »Tschüss, Mama, viel Spaß!«
    Gesche beugte sich herunter und gab Thea einen Kuss auf die blonden Locken.
    »Tschüss, meine Kleine!«
     
    Es war gar nicht so einfach, einen Parkplatz auf dem Gelände der Marina zu finden. Die Hauptsaison war in vollem Gange, und aus allen Ecken Deutschlands stammten die Kennzeichen der zahlreich abgestellten Autos. Viele der Besitzer hatten ein Motor- oder Segelboot an einem der Stege liegen oder charterten eine Yacht und brachen von hier aus auf zu einem längeren Törn auf der Ostsee.
    Der Einladung zur Ausstellungseröffnung waren offensichtlich eine Menge Leute aus der näheren Umgebung gefolgt. Rund um die neue Halle stand eine Vielzahl an Edelkarossen, aber auch bescheidenen Kleinwagen, allesamt mit OH-Nummern. Und Tilde hatte befürchtet, es würde niemand kommen!
    So um die 60 Personen hatten sich in der großen Halle versammelt, die meisten hielten Weingläser in der Hand, manche standen in Grüppchen plaudernd zusammen, andere in stummer Andacht vor Tildes ausgestellten Werken. Gesche grüßte und winkte den vielen bekannten Gesichtern zu, holte sich ein Glas Rotwein bei den jungen Mädchen hinter dem weiß eingedeckten Tisch und schlenderte dann langsam an den zumeist ziemlich großen Bildern vorbei.
    Einige wenige davon hatte sie schon einmal in Tildes Kate gesehen. Doch wirkten sie hier in der Größe des Raumes, mit großem Abstand an den weißen Wänden, ohne jegliche störende Objekte, völlig anders. Tildes Motive waren ausschließlich Figuren in Bewegung, die sie vor imaginären Landschaften darstellte. Auf den Schwarzweißbildern waren es oft nur Schemen oder schwarze Schatten, die etwas Unheimliches, ja Bedrohliches ausstrahlten, während die farbigen Gemälde klarer waren, die Wesen darauf deutlich menschenähnlich, allerdings alle ohne Gesichter. Und dann gab es ein paar Exemplare, auf denen sich die schwarzweiße mit der farbigen Welt mischte. Es war faszinierend, die Bilder anzuschauen, fand Gesche, man tauchte ein in diese unwirklichen Landschaften, und die eigene Fantasie ging auf eine Reise.
    »Na, du?«
    Leicht berührte jemand Gesches Schulter. In einem sehr schlichten, langen Leinenkleid stand Tilde plötzlich neben ihr. Das kräftige Braunrot passte ausgezeichnet zur Hennafarbe ihrer kurzen Haare. Eine Kette aus transparenten, rauchfarbenen Steinen lag um ihren schmalen Hals.
    »Hallo, Tilde! Du siehst toll aus heute Abend!«
    »Danke. Ich freu mich, dass du gekommen bist, Gesche. Du bist die Einzige, die ich hier kenne.«
    »Aber es sind alle Leute nur wegen dir hier! Na, wie fühlt sich die Künstlerin?«
    »Irgendwie ausgeliefert«, antwortete Tilde leise. »So viele Menschen. Da muss ich mich jedes Mal erst wieder dran gewöhnen.«
    »Aber das ist doch prima, dass du so viel Interesse hervorrufst! Ein toller Anfang!«, meinte Gesche. »Ist ja auch nur heute Abend. Und deine Bilder wirken in dieser nüchternen Umgebung sehr intensiv. Das ist wirklich beeindruckend.«
    »Danke«, sagte die Malerin bescheiden. Jemand klopfte laut gegen ein Glas.
    »Oh, entschuldige, ich muss«, sagte Tilde und ging nach vorn, wo ein paar wichtig aussehende Leute um ein Rednerpult standen. Der Pressechef der Marina begrüßte die Gäste der Vernissage, dann folgten der Vortrag einer Kunsthistorikerin zu Tildes Werken und schließlich die offizielle Eröffnung durch die Neustädter Bürgervorsteherin. Vom langen Stehen und konzentrierten Zuhören fühlte sich Gesche nach ihrem arbeitsreichen Tag ziemlich müde. Sie sah sich um – keine Sitzgelegenheit weit und breit. Plötzlich winkte ihr Marianne aus einer Ecke. Daneben stand Henning und grinste zu ihr herüber. Zwar hatte er angedeutet, dass er auch nachkommen würde, wenn die Zeit es zuließe, aber Gesche hatte nicht daran geglaubt. Ihrem Mann lag auch nicht besonders viel an Kunstausstellungen.

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