Ballnacht in Colston Hall
Angeekelt schüttelte er Ralphs Hand ab. “Du bist ein Monster, ein Frauenschänder, ein verkommenes Subjekt!”, schrie er.
Nun war es Ralph zu viel geworden. Zornbebend trat er vor den Freund. “Das nimmst du zurück, augenblicklich! Und entschuldigst dich.”
“Das werde ich nicht tun! Niemals!”
“Dann muss ich mich mit dir schlagen, und du weißt, dass ich dabei der Bessere bin.”
“Bitte. Fordere mich doch!”
Das hatte nun Ralph keinesfalls im Auge gehabt. Er hatte Freddie nur eine kleine Lektion mit den Fäusten erteilen wollen, damit er begriff, dass er ihn nicht ungestraft beleidigen durfte. So schüttelte er denn den Kopf und sagte: “Sei doch kein Narr, Freddie.”
Offensichtlich war das jedoch das Verkehrteste, was er hatte tun können, denn Freddie verlor nun vollends die Beherrschung. Mit einem Wutschrei stürzte er sich auf den Freund und schlug ihn in Ermangelung eines Handschuhes mit dem Handrücken ins Gesicht. “Meine Sekundanten werden dich aufsuchen”, stieß er hasserfüllt hervor, wandte sich um und ging davon.
Lachend blickte Ralph ihm nach und rieb sich dabei die brennende Wange. Dann hob er die Angel auf und machte sich auf den Heimweg. Das Lachen verging ihm allerdings, als am Abend Robert Dent mit einem Begleiter bei ihm erschien und erklärte, dass Frederick Fostyn Satisfaktion verlange. Noch einmal versuchte er, das Schlimmste abzuwenden, und schickte die beiden mit einer Botschaft an Freddie, in welcher er ihm nahelegte, noch einmal nachzudenken über einen Schritt, der nicht nur rechtswidrig war, sondern auch mit dem Tod eines von ihnen beiden enden könnte.
Doch bereits nach einer halben Stunde kehrten die beiden Männer zurück und teilten ihm mit, dass Freddie ihn öffentlich als Feigling bezeichnen werde, wenn er die Forderung nicht annehme.
Nun blieb Ralph keine andere Wahl mehr, obwohl es einzig und allein Freddies Schuld war. In seiner Verwirrung entschied er sich spontan für Pistolen, obwohl bei einem Kampf mit dem Degen jener verhängnisvolle Ausgang hätte vermieden werden können. Pistolen im Morgengrauen! Wie lächerlich und wie tragisch! Und da die Waffen des Earls immer unter Verschluss waren, war Ralph sogar darauf angewiesen, dass Freddie die beiden Pistolen seines Vaters mitbrachte und dadurch einen, wenn auch winzigen, Vorteil hatte.
An jenem unheilvollen Morgen war der Nebel besonders dick gewesen. Man konnte kaum ein paar Schritte weit sehen, und Ralph begann zu hoffen, dass sie beide ihr Ziel verfehlen und die Angelegenheit damit unblutig beenden würden. Und wenn nicht? Konnte er sich weigern zu schießen? Sollte er ohne den geringsten Versuch, sich zu verteidigen, alles an sich herankommen lassen?
Inzwischen hatten die Sekundanten bereits die Entfernung abgeschritten. Die Duellanten stellten sich Rücken an Rücken auf und gingen langsam an die für sie vorgesehene Stelle. Ralph wandte sich um, hob die Pistole und zielte auf die schattenhafte Gestalt, zwanzig Schritte von ihm entfernt. Doch er brachte es nicht über sich abzudrücken. Dann hörte er ein Klicken, einen Fluch, und erkannte, dass Freddies Waffe offensichtlich den Dienst versagt hatte.
“Mach schon”, zischte ihm sein Sekundant zu. “Jetzt hast du ihn sicher.”
Allein er hatte die Gelegenheit nicht wahrgenommen, sondern irgendwohin ins Blaue geschossen. Vor Aufregung hatte er jedoch nicht gemerkt, dass sich dem Duellplatz ein Reiter genähert hatte, aber nur einen Atemzug später, nachdem die Kugel den Lauf verlassen hatte, wusste Ralph, dass er irgendjemanden getroffen haben musste. Ein rauer Schrei erklang, und eine schemenhafte Gestalt sank zu Boden. Was nun folgte, erschien ihm noch heute als ein einziges Inferno. In dumpfer Verwirrung sah er, wie Freddie zu seinem Vater lief, bemerkte die entsetzten Blicke, die die Sekundanten tauschten, und hörte, wie einer von ihnen davongaloppierte, um einen Arzt zu holen. Er selbst aber stand da wie erstarrt, die Pistole noch immer in den leblosen Fingern.
Schließlich hatte Robert ihm die Waffe abgenommen, während Freddie schluchzend neben seinem Vater kniete und den Freund des Mordes beschuldigte, so als habe dieser absichtlich auf den Pfarrer gezielt. Dann endlich erschien der Earl. Lord Blackwater, als hochgeachteter Friedensrichter, hätte die beiden jungen Männer wegen des verbotenen Duells dem Gericht überliefern müssen – ganz zu schweigen von der versehentlichen Tötung eines Unschuldigen. Doch er entschied sich
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