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Ballnacht in Colston Hall

Ballnacht in Colston Hall

Titel: Ballnacht in Colston Hall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Nichols
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Abend, Mr Baverstock”, erwiderte Annabelle, über seine Förmlichkeit lachend. “Ich hatte nicht erwartet, Euch hier zu treffen.”
    “Musste kommen. Eltern bestanden darauf. Bin nun froh darüber.” Der junge Mann war feuerrot geworden.
    “Darf ich Euch meine Schwester vorstellen?”
    “Gehorsamster Diener, Miss Fostyn. Dürfte ich wohl Miss Annabelle mitnehmen, um sie bei meinen Eltern einzuführen?”
    “Ja? Darf ich gehen, Lydia?” flehte Annabelle.
    “Geh nur, meine Liebe.”
    In Sekundenschnelle war Annabelle verschwunden. Aber wer konnte es ihr auch verdenken, dass sie die vergnügliche Gesellschaft eines Gleichaltrigen der förmlichen Unterhaltung mit Sir Arthur vorzog.
    Noch während Lydia resigniert über diese Frage nachdachte, ertönte neben ihr eine Stimme. “Schau an, da ist ja meine kleine Nymphe!” Überrascht blickte sie auf und sah mitten in die braunen Augen des Fremden aus Chelmsford. Er war heute feierlich in Schwarz gekleidet, und nur Weste und Strümpfe glänzten in makellosem Weiß. “Sir”, stieß Lydia atemlos vor Aufregung hervor. “Was tut Ihr denn hier?”
    “Ich wollte Euch soeben dasselbe fragen. Interessiert Ihr Euch für Indien?”
    “Oh ja, sehr.”
    “Möchtet Ihr gern den Redner kennenlernen? Wir sind seit Längerem miteinander bekannt, denn wir haben zusammen unter Lord Clive gedient, dessen außerordentlichen Fähigkeiten wir die britische Herrschaft über Ostindien verdanken – wie Ihr zweifellos wisst.”
    “Ach, ich hatte ganz vergessen, dass Ihr ja aus dieser Gegend kommt.” Lydia brachte diese Lüge über die Lippen, ohne dabei rot zu werden.
    “Nun, es gab ja auch gar keinen Grund für Euch, diese beiläufige Bemerkung im Gedächtnis zu behalten”, erwiderte der junge Mann. “Ebenso wenig wie mich.”
    “Aller…allerdings”, stotterte Lydia, denn ihre Zunge war plötzlich wie gelähmt.
    “Aber Ihr habt mich wiedererkannt, nicht wahr? Ihr wusstet sofort, wer ich bin, als ich Euch ansprach.”
    “Und Ihr habt Euch meiner erinnert.”
    “Wie hätte ich denn vergessen können?” Die Stimme des Fremden war auf einmal ganz weich. “Eben war der Torweg noch leer gewesen, und im nächsten Augenblick enthielt er eine Erscheinung von so auserlesener Schönheit, dass ich wie verzaubert war. Seid Ihr gut nach Hause gekommen?”
    “Oh ja, danke.” Lydia spürte, wie ihr das Blut in die Wangen stieg, und wusste, dass es der junge Mann nicht übersehen konnte, so eindringlich wie er sein Gegenüber musterte. Diese Erkenntnis verwirrte Lydia außerordentlich.
    “Und es hat Euch auch nicht geschadet, dass Ihr nass geworden seid?”
    “Ich bin überhaupt nicht nass geworden, Sir. Ihr hingegen bestimmt. Ich hoffe, Ihr habt Euch nicht erkältet. Nach Indien muss Euch das Klima hier ja sehr unangenehm sein.”
    “Aber nicht im Geringsten. Es ist wundervoll! Der Regen ist so mild und der Wind nur eine sanfte Brise. Das Grün der Bäume ist herrlich frisch, und die Blumen duften so betörend, dass man ganz berauscht davon wird.”
    “Ach nein?”, rief Lydia lachend. “Seid Ihr sicher, dass es nicht vom Punsch kommt? Er ist bestimmt zu Ehren des Redners eine indische Sorte und wahrscheinlich sehr stark.”
    “Das ist richtig. Aber in Indien stellt man ihn mit Arrak her, während hier vermutlich Weinbrand dafür genommen wurde. Soll ich Euch ein Glas holen? Die Limetten und die verschiedenen Gewürze machen ihn zu einem sehr erfrischenden Getränk.”
    “Danke, sehr liebenswürdig, aber ich werde bereits versorgt.”
    Der junge Mann wurde ernst. “Ich bitte um Vergebung. Wie töricht von mir. Ihr seid natürlich nicht allein hier.”
    “Da bin ich wieder. Was für ein schreckliches Gedränge!” Sir Arthur näherte sich mit drei gefüllten Tellern in zwei Händen. Als er des Fremden ansichtig wurde, blieb er so jählings stehen, dass ein nachfolgender Gast ihn anstieß und der Inhalt der Teller sich über Sir Arthurs Weste und Hose verteilte. In dem sich aus diesem Missgeschick entwickelnden Durcheinander war der Fremde aus Chelmsford plötzlich verschwunden, und Lydia, die sich eben noch das Lachen über diese peinliche Szene hatte verbeißen müssen, schluckte nun die aufsteigenden Tränen der Enttäuschung hinunter.
    Der junge Mann war aber auch so anziehend und auch so aufmerksam. In seiner Gegenwart begannen ihre Hände zu zittern, und ihre Knie wurden weich. Jenes merkwürdige Band zwischen ihnen war immer noch vorhanden. Ja, es hatte den Eindruck,

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