Ballnacht in Colston Hall
als habe es sich noch verstärkt. Warum nur verwehrte ihr das Schicksal die Möglichkeit, ihn näher kennenzulernen? Er gehörte sicher nicht zu jenen Kreisen, in denen nur der einwandfreie Stammbaum zählte, und würde wunderbar als Ehemann passen. Sie hätte absolut nichts dagegen, mit ihm verheiratet zu werden. Und nun hatte Sir Arthur alles verdorben.
In diesem Augenblick ertönte die Glocke, die zum zweiten Teil des Vortrages rief, der sich nun überwiegend mit politischen Aspekten beschäftigte und wirklich sehr langweilig für die beiden Mädchen war. Annabelle insbesondere konnte den Schlussapplaus kaum erwarten, um Lydia noch einmal haarklein von der Begegnung mit Peregrines Eltern zu berichten, die außerordentlich huldvoll zu ihr gewesen waren. “Er ist es”, erklärte sie der Schwester. “Er ist der Mann, den ich heiraten werde. Ich fühle es – hier.” Sie legte ihre kleine Hand auf das Herz.
Lydia unterdrückte den Drang zu lachen. “Oh, Annabelle, das ist doch noch viel zu früh.”
“Nein, das ist es nicht. Du weißt genauso gut wie ich, dass wir uns beeilen müssen, einen Ehemann zu finden. Nur …” Annabelle seufzte bekümmert. “Die einzige Schwierigkeit ist die nicht vorhandene Mitgift. Lord Baverstock wird bestimmt eine erwarten, nicht wahr?”
“Ja, das denke ich schon.”
“Nun, je eher du also Sir Arthur heiratest, desto besser. Mama sagt …”
“Ich weiß, was Mama sagt”, unterbrach Lydia ärgerlich die Zukunftsträume der Schwester und trat rasch vor die Tür des Versammlungshauses, wo bereits der größte Teil der Gäste auf das Vorfahren ihrer Kutsche wartete. So kurz nachdem sie den gut aussehenden Fremden aus Chelmsford wieder getroffen hatte, wollte sie um keinen Preis an ihre Pflichten gegenüber der Familie erinnert werden.
“Ah, da seid Ihr ja, Miss Fostyn.”
Sir Arthur drängte sich durch die Menge auf Lydia zu. Er trug jetzt einen langen, vom Kragen bis zum Saum zugeknöpften Mantel, um seine befleckte Kleidung zu verdecken. Allerdings wirkte der Mantel, als habe er ihn von seinem Kutscher ausgeliehen.
“Sir Arthur, Euer Missgeschick tut mir ja so leid.”
“Ach, das war doch eine Bagatelle. Ich habe nur bedauert, dass Ihr um den Imbiss gekommen seid. Gestattet Ihr, Euch nach Hause zu bringen?”
“Vielen Dank, Sir, aber wir haben unsere eigene Kutsche.”
“Dann ist es mir wohl erlaubt, in naher Zukunft einmal Eurer verehrten Frau Mama meine Aufwartung zu machen?”
“Gewiss, Sir Arthur. Ich bin sicher, sie wird sich sehr über Euern Besuch freuen.” Abschied nehmend reichte Lydia dem Baronet die Hand.
Während dieses Gespräches hatte sich die wartende Menge bereits weitgehend zerstreut, und Lydia erblickte nun plötzlich ihren Regenschirmmann, der sie spöttisch und zugleich missbilligend musterte. Nun trat er einen Schritt vor, verbeugte sich und sagte: “Gute Nacht, Mylady.”
“Gute Nacht, Mylord”, erwiderte Lydia lächelnd und machte unwillkürlich einen höflichen Knicks.
“Wer war denn eben der junge Mann?” erkundigte sich Annabelle neugierig, während die Mädchen in ihre Kutsche stiegen.
“Ich habe keine Ahnung.”
“Aber du hast ihn doch Mylord genannt?”
“Und er nannte mich Mylady. Also, warum nicht Mylord?”
“Wofür hielt er dich denn?”
“Das weiß ich ebenso wenig. Wir sind uns völlig fremd.”
“So sah es aber nicht aus. Hast du etwa seinetwegen dein bestes Kleid angezogen? Du hast erwartet, ihn hier zu treffen, nicht wahr? Oh, was wird Mama dazu sagen!”
“Sie wird gar nichts dazu sagen, weil du ihr nichts davon erzählen wirst.”
“Also ein Geheimnis? Hattest du dich heimlich mit ihm verabredet? Oh, Lydia, er ist ja so hübsch. Aber wenn er nun ein Betrüger ist?”
“Ich bin sicher, er ist nichts dergleichen. Und ich hatte auch keine Verabredung mit ihm. Wie kommst du überhaupt darauf? Wir haben nur ein paar Worte gewechselt, während du damit beschäftigt warst, Peregrine Baverstock schöne Augen zu machen.”
“Ich habe es zumindest mit einer gewissen Absicht getan. Aber du hast offensichtlich nichts erreicht. So sollten wir es denn lieber mit dem Sprichwort halten, dass ein Spatz in der Hand mehr wert ist als eine Taube auf dem Dach.”
“Was meinst du damit?”
“Nun, Sir Arthur. Er wird Mama seine Aufwartung machen, nicht wahr? Und er würde es nicht tun, wenn er nicht ernsthafte Absichten hätte.”
“Annabelle, wenn du Sir Arthur noch einmal erwähnst, könnte ich sehr
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