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Ballnacht in Colston Hall

Ballnacht in Colston Hall

Titel: Ballnacht in Colston Hall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Nichols
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haben!”
    “Gar nichts. Warum auch? Ich habe gesagt, dass ich ihm ausrichten soll, wann es dir angenehm ist, ihn zu empfangen.”
    Die Mutter setzte sich neben sie und nahm ihre Hand. “Oh, Lydia, heißt das, dass du …”
    Lydia seufzte. “Ich habe doch keine andere Wahl, nicht wahr? Wegen dieses widerwärtigen Mannes.”
    “Meinst du den jungen Earl?”
    “Natürlich meine ich ihn.”
    “Ich war in Colston Hall und habe mit ihm gesprochen.”
    “Und er hat sicher kurzen Prozess mit dir gemacht. An dem Ton seines Briefes konnte man schon erkennen, dass er seine Meinung nicht ändern würde.”
    “Lydia, er war sehr leutselig. Er lässt uns bis nach deiner Hochzeit in diesem Haus wohnen.”
    “Und was wird danach mit dir und Annabelle und John?”
    “Wenn alles nach Plan verläuft, wird für uns gesorgt. Sir Arthur hat durchblicken lassen, dass er es in den Ehevertrag aufnehmen wird.”
    “Nun, je eher dann meine Hochzeit stattfindet, desto besser. Ich möchte nicht eine Minute zu lange in der Schuld des Earls stehen.”
    “Er war sehr freundlich, Lydia – so wie sein Vater, als er noch jung war. Und ich glaube, er hat auch sehr leiden müssen …”
    “Das mussten wir ebenfalls”, fiel Lydia ihrer Mutter ins Wort. Am liebsten hätte sie hinzugefügt, dass sie selbst auch weiter würde leiden müssen, doch sie unterdrückte diesen Wunsch, denn sie wollte die Mutter nicht aufregen. Es blieb ihr eben nichts anderes übrig, als ihr Schicksal so gelassen wie möglich hinzunehmen. Doch so kurz nach der Begegnung mit dem gut aussehenden Fremden – der schon gar kein Fremder mehr für sie war – schien eine solche Einsicht noch schwerer erreichbar zu sein als sonst.
    “Er hat mir aufgetragen, dass er dir Glück wünscht”, fuhr die Mutter fort.
    “Wirklich?”, rief Lydia überrascht.
    “Ja.”
    “Das meinte er doch nicht ernst.”
    “Warum nicht? Er ist ein ehrbarer Mensch und ein Gentleman, und er wusste nicht einmal, dass wir Freddie auch fortgeschickt haben. Ich dachte immer, der verstorbene Earl habe mit ihm korrespondiert. Doch das scheint nicht der Fall gewesen zu sein.”
    “Oh, Mama, hast du etwa gehofft, er wüsste, wo Freddie ist?”
    “Eigentlich schon”, räumte die Mutter ein. “Freddie und er waren doch immer die besten Freunde. Ich dachte, er könnte uns etwas Näheres mitteilen. Und wenn er nach all den Jahren zurückkommen kann, ohne dass man ihm noch irgendetwas vorwirft, sehe ich nicht ein, warum Freddie dann nicht auch heimkehren sollte.”
    “Allerdings. Aber ich habe von Anfang an keinen Grund gesehen, warum Freddie überhaupt außer Landes musste. Es war doch alles einzig und allein Ralph Latimers Schuld. Und erwarte bitte keine Dankbarkeit von mir, weil er uns unser Heim ein paar Wochen länger zur Verfügung stellt, nachdem wir seinetwegen unser früheres verloren haben. Nein, ich hasse ihn nach wie vor, und nichts auf der Welt wird mich je davon abbringen.”
    Als der Wagen am Portal von Colston Hall vorfuhr, öffnete der Butler bereits die Tür und nahm wenig später mit einer höflichen Verbeugung den Hut des Earls entgegen. “Haben Euer Lordschaft den Regenschirm verloren?” erkundigte er sich dezent.
    Ralph lächelte. “Nein, ich habe ihn nur ausgeborgt und werde ihn bestimmt bald wiederbekommen.” In Gedanken versunken stieg er die Treppe zu seinen Zimmern empor. Er wusste immer noch nicht, wer die junge Dame eigentlich war. Mit Sicherheit keine Hausangestellte, denn dazu war sie zu geistreich und hatte auch zu viel angeborene Würde. Ob sie die Geliebte eines der hier ansässigen besser gestellten Herren war? Vielleicht sogar Sir Arthurs? Wenn sie weder seine Tochter noch sein Hausmädchen war und ihn dennoch ohne Begleitung aufsuchte, stand zu befürchten, dass sie keine achtbare, wohlerzogene junge Dame war. Dieser Gedanke verstimmte ihn im ersten Augenblick, jedoch nicht lange. Eine Geliebte konnte leicht dazu überredet werden, den Gegenstand ihrer Neigung zu wechseln.
    Ob Miss Fostyn wohl wusste, dass sie eine Rivalin hatte? Na, das würde ein schönes Theater geben. Vielleicht war die Fremde sogar Miss Fostyn? Aber nein, unmöglich, sagte sich Ralph. Miss Fostyn hätte niemals allein Sir Arthur aufgesucht, und überdies erinnerte in dem anmutigen Gesicht nichts an das sommersprossige Kind, das er vor zehn Jahren gekannt hatte. Außerdem erschien es ihm einfach unvorstellbar, dass er einen Todfeind nicht erkennen sollte, selbst wenn er in der Gestalt

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