Ballnacht in Colston Hall
erkundigte sie sich mit harmloser Miene.
“Eine Pirsch? Erscheine ich in Euern Augen als ein Mann, der bei Damen auf die Pirsch geht?”
“Keineswegs, Sir Arthur. Es sollte ein Spaß sein. Ich bitte um Verzeihung.”
Der Hausherr bedachte Lydia mit einem etwas gezwungenen Lächeln. “Darf ich Euch also so verstehen, dass meine Werbung willkommen wäre?”
“Sagen wir lieber: Ich habe nichts dagegen, dass wir uns besser kennenlernen.” Lydia stellte die Teetasse ab und erhob sich. “Es ist schließlich keine Entscheidung, die man leichthin fällt.”
“Nein, nein, ganz gewiss nicht”, erwiderte Sir Arthur. “Wir müssen ihr sorgfältige Überlegung zuteilwerden lassen.”
Als Lydia sein Angebot, sie mit der Kutsche nach Hause fahren zu lassen, höflich ablehnte, bestand er zumindest darauf, sie persönlich bis zum Tor zu geleiten. “Ich bedaure sehr, dass meine Töchter nicht anwesend waren, um Euch zu begrüßen”, erklärte er beim Abschied. “Aber sie weilen für ein paar Wochen bei ihrer Großmutter, bis ich hier alles fertig eingerichtet und eine neue Gouvernante für sie engagiert habe. Die vorherige wollte uns zu meinem größten Bedauern nicht hierher begleiten. Sie war ausgezeichnet.”
“Nun, ich freue mich darauf, Eure Töchter ein andermal kennenzulernen”, erwiderte Lydia und reichte Sir Arthur die Hand, der sie höflich an die Lippen zog.
“Ich werde sehr bald bei Mrs Fostyn vorsprechen”, verkündete er mit einem siegesgewissen Lächeln.
Während Lydia sich rasch entfernte, kribbelte ihr die Haut vor Widerwillen. Sie konnte sich diese Abneigung nicht erklären, denn Sir Arthur hatte weder etwas Unschickliches getan noch gesagt. Dass er ihr Verhalten missbilligt hatte, war verständlich. Sie hatte sich wirklich unmöglich benommen und fürchtete sich nun vor dem berechtigten Tadel der Mutter. Verschweigen konnte sie den Besuch aber auch nicht, denn Sir Arthur würde ihn bestimmt erwähnen.
Niedergeschlagen machte sie sich auf den Heimweg. Warum war das Schicksal nur so unfreundlich zu ihr? Wenn sie schon um des Geldes willen heiraten musste, konnte es dann nicht wenigstens ein junger und einigermaßen ansehnlicher Mann sein? Und nun begann es zu allem Überfluss auch noch zu regnen. Lydia zog die Kapuze über den Kopf und trat rasch zur Seite, als sie eine Kutsche kommen hörte.
“Ihr solltet Euch einen Regenschirm zulegen, Mylady, oder zumindest von einem Spaziergang Abstand nehmen, wenn der Himmel sich bewölkt.”
Beim Klang dieser Stimme fuhr Lydia herum, und ein strahlendes Lächeln erhellte ihre Miene. Doch dann erinnerte sie sich ihrer misslichen Lage, und das Lächeln erlosch wieder. “Oh, Ihr seid es wieder, Sir.”
“Ja, ich bin es wieder.” Aber mit ihr ist irgendetwas nicht in Ordnung, dachte Ralph. Das war nicht mehr das fröhliche Mädchen von Chelmsford und auch nicht mehr die elegante junge Dame, mit der er sich am Abend zuvor in Malden unterhalten hatte. Ihr grauer Umhang war feucht und zerknittert, auf den Schuhen hatte sich dunkler Schlamm festgesetzt, und selbst die wundervollen Augen schienen nicht mehr zu leuchten. Das alles war jedoch nicht nur auf den Regen zurückzuführen.
“Steigt ein, Mylady. Oder soll ich auch noch nass werden, während ich die Tür offen halte?”
Wortlos kletterte Lydia in die Kutsche und nahm neben dem Fremden Platz, der sie wiederum eindringlich von Kopf bis Fuß musterte. Seine Nähe verwirrte sie. “Ich danke Euch”, murmelte sie und rückte so weit wie möglich zur Seite. Währenddessen wies der junge Mann seinen Kutscher an, eine Stelle zu suchen, an welcher er den Wagen wenden konnte. Will er mich etwa entführen, dachte Lydia entsetzt. Wie hatte sie nur so töricht sein können, allein auszugehen und nun auch noch widerstandslos in eine fremde Kutsche zu steigen?
“Wohin bringt Ihr mich?” erkundigte sie sich beunruhigt, als der Kutscher abgestiegen war, um die Pferde in einem engen Bogen umzulenken.
“Nach Hause”, erwiderte der Fremde. “Ihr würdet völlig durchnässt werden, wenn Ihr den Spaziergang fortsetzen würdet.”
“Nach H…Hause? Ich habe nicht den geringsten Wunsch, mit Euch nach Hause zu fahren, wo immer das auch sein sollte, Sir!”
Der junge Mann warf den Kopf zurück und lachte schallend. “Ich meinte doch nicht mein Zuhause, verehrte junge Dame. Ich bin kein Verführer, oder was Ihr sonst denken mögt. Ihr solltet natürlich in Euer Heim gebracht werden.”
“Aber warum seid Ihr
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