Ballnacht in Colston Hall
Angelegenheiten erledigen.” Partridges Bruder war der Wirt des besagten Gasthofes und kümmerte sich auch um die Pferde seiner Gäste.
“Oh, das ist eine großartige Idee!”, rief Annabelle ein wenig zu begeistert.
Lydia gab dem Kutscher die entsprechenden Instruktionen, und sobald der Wagen vor dem Wirtshaus angehalten hatte, stieg sie aus und eilte in das Stadtzentrum, wo sich die meisten Läden befanden. Erst als sie aus der Sichtweite ihrer Schwester war, bog sie scharf nach links ab, dann wieder nach rechts und stand bald darauf vor dem Haus von Robert Dent, das sich nahe bei einem kleinen Park befand.
Bis jetzt hatte sie noch nicht darüber nachgedacht, was sie ihm eigentlich sagen wollte, und blieb deshalb unschlüssig vor dem Haustor stehen. Es war schließlich nicht sehr schicklich, dass eine junge Dame einen Junggesellen in seiner Wohnung besuchte. Welchen Grund sollte sie dafür angeben? Aber sie konnte ja auch nicht hier stehen bleiben und darauf hoffen, dass er irgendwann erscheinen würde. Dafür reichte ihre Zeit nicht aus, und außerdem könnte sie von irgendjemandem gesehen werden.
Doch da tauchte, wie von einer Glücksfee herbeigezaubert, der Erwartete plötzlich am Ende der Straße auf. Offensichtlich befand er sich auf dem Heimweg. Lydia ging ihm lächelnd ein paar Schritte entgegen. “Guten Morgen, Mr Dent”, sagte sie freundlich. “Wie nett, Euch zu treffen.”
“Miss Fostyn.” Robert Dent lüftete höflich seinen mit einer großen Schnalle verzierten Hut. “Welch unerwartetes Vergnügen. Was führt Euch hierher?”
“Ich mache Einkäufe in der Stadt”, erwiderte Lydia. “Und hoffte dabei auf eine Unterhaltung mit Euch.”
“Mit mir?” Erstaunt hob Robert Dent die Brauen. “Ihr seid immer für eine Überraschung gut, Miss Fostyn. Erst finde ich Euch um Mitternacht in den Dünen, und nun steht Ihr ohne Begleitung vor meiner Tür und sagt, dass Ihr mit mir reden wollt. Ich frage mich, ob diese beiden Geschehnisse irgendetwas miteinander zu tun haben.”
“Nun, das könnte man in der Tat sagen. Ich habe einige Informationen für Euch.”
Robert Dent reichte ihr den Arm. “Dann schlage ich vor, einen kleinen Spaziergang zu machen.”
Wortlos schritten sie nebeneinander in den Park. Eine leichte Brise wehte Lydia den Rock gegen die Fesseln, und sie sah sich zudem gezwungen, mit einer Hand ihren Hut festzuhalten. Nichtsdestoweniger begann sie entschlossen: “Es geht um die Schmuggler.”
“Und was ist mit ihnen?”
“Wisst Ihr, wer sie sind?”
“Ich habe eine bestimmte Ahnung. Auf alle Fälle Männer aus dieser Gegend.” Er sah seine Begleiterin aufmerksam an. “Darf ich Eure Bemerkung so verstehen, dass Ihr nähere Kenntnis habt?”
“Ja. Und mein Bruder gehört auch dazu.”
“John? Aber er ist doch noch ein Schuljunge. Ach so, ich verstehe. Ihr möchtet, dass ich ihm aus der Klemme helfe, in die er geraten ist.”
“Nein, nein, nicht John. Freddie.”
Robert Dent pfiff durch die Zähne. “Freddie ist zurück? Du lieber Himmel, das ist ja eine außerordentliche Neuigkeit!”
“Ihr wusstet es nicht?”
“Nein, woher sollte ich es wissen?”
“Ich dachte, da Ihr zu den Schmugglern gehört, hättet Ihr ihn vielleicht schon getroffen.”
“So, das denkt Ihr also jetzt?” Er lächelte geheimnisvoll. “Aber das sei nur nebenbei bemerkt. Warum ist denn Euer Bruder bei den Gesetzesbrechern, da er doch bei Euch daheim sein könnte? Und noch dazu kurz vor Eurer Hochzeit? Es wäre doch eine herrliche Zeit für die ganze Familie.”
“Das wäre es schon, aber …” Lydia stockte unsicher. “Aber er glaubt, er müsse sich unbedingt an Ralph rächen – ich meine an dem Earl of Blackwater – für das, was vor zehn Jahren geschehen ist. Ich nehme an, er will ihm nur einen kräftigen Schlag versetzen, fürchte aber, dass die anderen Schmuggler die Gelegenheit benutzen wollen, um jemanden loszuwerden, der ihnen ein Dorn im Auge ist.”
“Oh, Ihr beliebt zweifellos zu scherzen.”
“Keineswegs. Es ist mein völliger Ernst.”
“Aber wenn ich einer der Schmuggler bin, wie Ihr sagt …” Robert Dent hielt inne, um seinen Hut grüßend vor einem vorübergehenden Herrn zu lüften, und fuhr erst fort, als dieser außer Hörweite war. “Ihr geht doch nicht etwa davon aus, dass ich beabsichtige, Ralph Latimer einen gezielten Schuss oder einen ebensolchen Messerstich zu versetzen, nicht wahr?”
“Nein.” Dergleichen erschien Lydia in der Tat
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