Ballsaison: Palinskis siebter Fall
dem einen oder anderen Fall übersehen habe. Ich kann mich heute auch nicht mehr an alle Details erinnern .«
»Ich habe alle Verzichtserklärungen vorgefunden«, trotz der Frohbotschaft schien Rambader nicht ganz glücklich zu sein. »Bloß die von Herrn Palinski nicht. Aber wir suchen noch, vielleicht ist sie ja nur falsch abgelegt worden .«
»Und warum haben Sie ihm dann nicht einfach 5.000 Euro angeboten ?« , Wiener war jetzt richtig zornig geworden. »Möglicherweise hätte er sich sogar darauf eingelassen, den Betrag für einen wohltätigen Zweck zu stiften. Irgendwie hätte das auch auf uns positiv abgefärbt .«
»Aber Professor Weinberger hat uns …«, der Kritisierte hatte einen roten Kopf bekommen und wollte sich rechtfertigen.
»Es ist mir egal, was Ihr Theoretiker für diesen Fall empfohlen hat«, Hektor Wiener ließ den Jungen erst gar nicht aussprechen. »Er muss ja auch nicht die Kosten für diesen Mist bezahlen. Rufen Sie sofort den gegnerischen Anwalt an und schaffen Sie das aus der Welt !« Er überlegte. »Oder nein, besser, ich spreche direkt mit Palinski. Dann kann ich wenigstens sicher sein, dass die Angelegenheit auch in meinem Sinne bereinigt wird. Danke, Herr Doktor Rambader.«
Der wusste genau, wann es Zeit war zu gehen – der Zynismus in der Stimme seines Chefs war ja auch kaum zu überhören gewesen. So schlich der zuvor noch so selbstbewusste Jung-Manager wie ein geschlagener Hund aus dem Büro.
Wiener dagegen gab seiner Sekretärin den Auftrag, ihn mit Anwalt Herburger oder noch besser, direkt mit Mario Palinski zu verbinden.
* * *
›Expect emotions‹: Das Hochgefühl, das Wilma gestern nach Erhalt der Nachricht von der »Befreiung« Harrys gehabt hatte, erfuhr eben eine Art Renaissance. Das Telefon hatte geklingelt, und Tina, die sich seit Wochen nicht mehr gemeldet hatte, war am Apparat. Die 24-jährige Tochter Wilmas und Marios war vor einem Dreivierteljahr für drei Monate nach Paris gegangen, um mit sich ins Reine zu kommen, und seither nicht mehr nach Hause gekommen. Außer wenigen Telefonaten, zwei Briefen und einigen Karten hatte die Familie nichts von ihr gehört. Nur bei Harry hatte sie sich mehr oder weniger regelmäßig übers Internet gemeldet. Ja, selbst Weihnachten hatte Tina in Frankreich verbracht, angeblich wegen eines unheimlich wichtigen Jobs. Und jetzt das.
»Mama, ich bin mir über einiges im Klaren«, teilte sie Wilma eben mit. »Ich weiß jetzt, was ich will, und ich möchte das mit euch besprechen. Ich fahre morgen von hier los«, hier, das war eine WG in der Nähe des Boulevards St. Michel, wie Wilma gleichzeitig erfahren hatte, »und bin dann am Sonntagnachmittag in Wien. Ist euch das recht ?«
Was für eine Frage? Wilma wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte, und so tat sie beides. »Natürlich, das weißt du doch. Wir freuen uns alle schon sehr. Wird Guido auch kommen ?«
Guido war Tinas Verlobter, obwohl …
»Nein, ich komme alleine«, Tinas bislang fröhliche Stimme hatte einen etwas anderen Klang angenommen. »Das möchte ich auch mit euch besprechen .«
»Bleibst du dann ganz in Wien ?« Man merkte die Spannung in Wilmas Stimme, die sie bei dieser Frage erfüllte.
»Ganz nicht, aber vielleicht einige Zeit«, jetzt klang Tinas Stimme wieder fröhlicher. »Lasst euch überraschen. Du, ich muss jetzt los, ich habe noch jede Menge zu erledigen, bevor es morgen losgeht. Salut Mama, gib Papa und Harry einen Kuss von mir .« Und weg war sie wieder.
Wilma musste sich hinsetzen. In die große Freude über den Anruf und Tinas bevorstehende Heimkehr mischten sich jetzt leise Zweifel als kleine Wermutstropfen. Irgendetwas in Tinas Stimme hatte sie beunruhigt.
Etwas war nicht in Ordnung, fühlte sie. Doch sie musste sich bis Sonntag in Geduld üben, fürchtete sie. Vielleicht hörte sie aber auch bloß Flöhe husten. So was kam vor, wusste sie. Mütter waren eben so.
* * *
Vergeblich hatte Palinski den ganzen Vormittag versucht, einen gleichermaßen zuverlässigen wie auch kompetenten Gesprächspartner zu finden, mit dem er sein inzwischen wie eine Tonne auf seiner Seele lastendes Wissen teilen konnte. Aber weder Anselm Wiegele noch die Wallners waren erreichbar. Miki Schneckenburger wiederum hetzte von einer Konferenz zur anderen und musste zwischendurch bei einigen Meetings Flagge zeigen.
Schließlich war Palinski doch noch ein Mensch eingefallen, dem er sich anvertrauen konnte. Ein Mensch, dem er vertraute und
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