Balthazar: Roman (German Edition)
dachte Balthazar. Aber seine Finanzen waren im Augenblick nicht seine Hauptsorge.
Er bewegte sich jetzt wieder normaler und entschlossener. Er ging zu einem Abfalleimer in der Nähe und zog eine zerknüllte Zeitung hervor. Die Schlagzeilen schrien ihm unverständliche Nachrichten entgegen: Depression, Dust Bowl , und auch eine unerwartet vertraute Phrase: Präsident Roosevelt? Schon wieder? Aber er würde später genauer lesen und versuchen, die Informationen zu verarbeiten. Jetzt interessierte ihn nur eines, nämlich das Datum.
26. April 1933 …
Beinahe fünfzehn Jahre waren vergangen, und er hatte es nicht bemerkt!
Er würde an die Evernight-Akademie zurückkehren und sich dort anmelden. Dann könnte er herausfinden, wie die Welt in diesen Tagen tickte, und er könnte anfangen, sich anzupassen. Balthazar hasste es, wieder von vorne anzufangen, hatte sich aber stets in das Unvermeidliche gefügt.
Und so würde es auch dieses Mal sein, obwohl in seinem erschöpften Herzen nur Platz für die Gedanken an seine Schwester und für das Wissen um seinen Schmerz war.
21
Balthazar wusste, dass er eigentlich erleichtert sein sollte über die Nachricht bezüglich Skyes Verabredung. Das war auf jeden Fall ein deutliches Zeichen dafür, dass sie gewillt war, Abstand zu dem zu bekommen, was sich zwischen ihnen entwickelt hatte – was auch immer das sein mochte. Sie war nicht wütender, als er es aufgrund seines unverzeihlichen Verhaltens verdient hatte. Sie weinte nicht und führte sich auch nicht wie eine zurückgewiesene Frau auf. Gemeinsam würden sie versuchen herauszufinden, was es mit ihren Kräften auf sich hatte, und zusammen würden sie dafür sorgen, dass sie vor Redgrave in Sicherheit war. Ansonsten würde sie nichts von ihm verlangen. Und genau das war es, worauf er hoffen sollte.
Stattdessen jedoch hatte er nur ein einziges Bild vor Augen, während er sie durch den Wintersturm nach Hause fuhr: Er sah Skye vor sich, wie sie in Keith Kramers Armen lag.
Keith Kramer. Ein richtiges Jüngelchen. Nicht einmal besonders intelligent, sportlich oder nett. Einer, der seine Geschichtshausaufgaben zu spät abgab und der trotz ständiger Berichtigung nicht zwischen dass und das unterscheiden konnte. Er sah zwar nach landläufigen Begriffen gut aus, aber irgendwie wie aus der Retorte, und er war offenbar ein Rugbystar. Es gab Mädchen, die auf so etwas standen, aber Skye? Sie doch nicht. Sie war etwas Besonderes. An ihr war nichts Gewöhnliches. Keith dagegen war der Inbegriff des langweiligen Abziehbildes.
Verdammt noch mal, er brauchte eine Zigarette. Sein Vorsatz, endlich mit dem Rauchen aufzuhören, war ihm noch nie so schwergefallen wie in diesem Augenblick. Er wollte sich eine Kippe anstecken, einatmen und den Rauch ausblasen, der andere Leute umbringen konnte. Andere Leute wie Keith Kramer. Wie konnte Skye überhaupt in Erwägung ziehen, mit so einem … blonden Vollidioten auszugehen?
Sie kann es in Erwägung ziehen, weil du ihr den Laufpass gegeben hast , rief er sich selbst ins Gedächtnis. Du hast überhaupt kein Recht, kontrollieren zu wollen, mit wem sie sich trifft.
Der bloße Gedanke an Keiths Hände auf Skyes schlankem Körper machte Balthazar verrückt vor Eifersucht.
Einen Augenblick lang konnte er die Straße vor sich nicht mehr richtig erkennen, und seine Hände verkrampften sich ums Lenkrad. Alles, was er vor sich sah, war seine düstere Vision von Skye, wie sie jemandem ihr Gesicht zum Kuss entgegenhob.
Und das war der Moment, in dem jemand direkt vor seinem Auto auf die Fahrbahn trat.
Balthazar schrie in wortlosem Entsetzen auf, als der Wagen auf Fleisch und Knochen aufprallte. Er trat auf die Bremse, sodass sein Fahrzeug ausbrach und in den dichten Schnee raste, der sich am Straßenrand auftürmte. Der Körper, den das Auto gerammt hatte, wurde auf die Kühlerhaube geworfen und schlaff und lädiert gegen die Frontscheibe gepresst. Einen Moment lang konnte Balthazar nur ungläubig und entsetzt auf die zusammengekrümmte Gestalt vorne auf seinem Wagen starren. Dann hob das Opfer langsam den Kopf und glotzte durch die Scheibe zu ihm herein.
»Hab ich dich endlich«, sagte Charity, ehe sie in schallendes Gelächter ausbrach.
Balthazar schlug wutentbrannt mit den Fäusten auf das Lenkrad: »Himmel, Charity! Du hast mich beinahe zu Tode erschreckt.«
Sie grinste ihn an und wand sich vor Vergnügen, als sei sie wieder ein kleines Mädchen, das mit ihm Ratespiele spielte. »Stell dir doch nur
Weitere Kostenlose Bücher