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Balthazar: Roman (German Edition)

Balthazar: Roman (German Edition)

Titel: Balthazar: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Gray
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Unmittelbar nach Sonnenuntergang, sagte sie schließlich, Constantia würde die Anonymität der Straßen nach Anbruch der Dunkelheit lieben und wäre dann oft unterwegs, um Jagd zu machen. Tagsüber würde sie beinahe mit Sicherheit schlafen.
    Das sah der Constantia, die Balthazar kannte, gar nicht ähnlich; er hatte in Erinnerung, dass Constantia das Sonnenlicht weniger scheute als jeder andere Vampir, den er bislang kennengelernt hatte. Aber er teilte schon seit mindestens hundertvierzig Jahren nicht mehr das Bett mit ihr; Gewohnheiten konnten sich ändern. War er nicht der beste Beweis dafür?
    Er zog sich an, als ob er auf eine Faschingsparty gehen wollte; sie würde seine Anstrengungen als Kompliment ansehen. Dann lief er zu der Adresse, die Charity ihm genannt hatte. Die Schatten der Nacht gesellten sich zu der gespenstischen Stille. Balthazar stieg die Treppe zum Haus empor und läutete an der Tür.
    Es dauerte lange, bis jemand kam. Balthazars empfindliche Ohren nahmen das Rauschen eines Rockes wahr, ebenso das Klappern von Stiefelabsätzen auf einem Holzboden. Er beugte sich nahe an die Tür. Wenn Constantia tief einatmete, würde sie seinen Geruch erkennen. Einige Augenblicke lang blieb er regungslos stehen, genau wie sie. Ihm war klar, dass sie sich beide der Anwesenheit des jeweils anderen bewusst waren. Nur wenige Zentimeter trennten sie und ihre gemischten Gefühle aus Zorn und Begehren voneinander.
    Endlich öffnete Constantia die Tür. Dort stand sie, und ihr blondes Haar hing ihr offen auf den Rücken, als ob sie gerade erst aus dem Bett aufgestanden wäre. »Balthazar«, sagte sie. »Meine Güte. Dann hat Charity ja die Wahrheit gesagt. Bei ihr weiß man nie so genau.«
    Er hatte Charity aufgetragen, Constantia zu verraten, dass er in der Stadt war. Dass er einsam war und es bereute, sich von allen anderen Vampiren losgesagt zu haben. Dass er voller Aufregung von ihr, Charity, erfahren hatte, dass sie und Constantia ohne Redgrave in der Stadt waren. Lügen waren immer dann am wirkungsvollsten, wenn man sie mit der Wahrheit verquickte; das hatte Redgrave ihm beigebracht.
    »Constantia.« Er schaffte es, ihr ein Lächeln zuzuwerfen; zwar war es schief und unsicher, aber das war in Ordnung. Eine zu überschwängliche Wiedersehensfreude hätte sie ihm ohnehin nicht abgenommen. »Darf ich eintreten?«
    Anstatt ihn hereinzubitten, trat Constantia einfach einen Schritt zurück. Balthazar schob sich an ihr vorbei und schloss hinter sich die Tür. Sie standen sehr dicht beieinander. Constantia war von allen ihm bekannten Frauen die einzige, die groß genug war, um ihm direkt in die Augen zu schauen.
    »Wo ist Charity?«, fragte er, als ob er es nicht wüsste.
    »Streunt wie üblich durch die Straßen. Sie kann jetzt selber jagen gehen. Eigentlich sogar ganz erfolgreich. Du wärst stolz auf sie.«
    »Stolz« war nicht gerade das richtige Wort. Aber seine Schwester hatte sich an den Plan gehalten. Sie war weit weg vom Haus, sodass Constantia ihren Zorn nicht gegen sie richten könnte, falls er, Balthazar, die Sache nicht zu Ende bringen würde. Auf den ersten Blick sah er, dass Charitys Beschreibung der Inneneinrichtung vollkommen zutreffend gewesen war. Sie konnte sich besser auf etwas konzentrieren, als ihm vorher klar gewesen war. Blassgrüne Tapeten mit weißen Ranken prangten an allen Wänden, und das Haus verfügte über das neumodische elektrische Licht und eine breite Treppe unmittelbar neben der Tür. Das bedeutete, dass der Raum, den er oben erahnen konnte, das Schlafzimmer war, welches sich Charity und Constantia teilten. Dort sollte seine Schwester die Pflöcke versteckt haben.
    Alles, was er tun musste, war, Constantia dazu zu bringen, nach oben zu gehen.
    In Anbetracht der Tatsache, wie rasch sich ihre Brust hob und senkte, während sie ihn betrachtete, war sich Balthazar sicher, dass es nicht allzu schwer werden würde, sie ins Schlafzimmer zu bekommen.
    »Endlich bist du Redgrave los«, sagte er.
    »Wir reisen nicht immer gemeinsam. Das solltest du doch inzwischen wissen.«
    »Ist mir aufgefallen, ja. Ich habe es eher als … Blick in die Zukunft gemeint.«
    Constantia hob eine Augenbraue. »Dann willst du gar nicht in Redgraves Clan zurückkehren. Du willst, dass wir einen eigenen gründen.«
    »Du und ich und Charity. Das wäre doch ein guter Anfang, findest du nicht?« Balthazar beugte sich vor und ließ eine Hand über ihre Taille gleiten. Offenbar war sie dazu übergegangen, auf ein

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